Im Mai 2022 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 7,9 % und damit so hoch wie zuletzt in den 70er Jahren. Neben der jahrelangen Politik des billigen Geldes haben auch Corona und jüngst der Ukraine-Krieg zu dieser dramatischen Verschärfung der Geldentwertung in den vergangenen Monaten beigetragen. Dass die hohe Inflation nur temporär sein wird, davon haben mittlerweile auch die obersten Währungshüter Abstand genommen.
Wir müssen uns also darauf einstellen, dass wir es über eine längere Zeit hinweg mit steigenden Preisen oder zumindest erhöhten Preisniveaus zu tun haben werden. Der beste Schutz in diesen Zeiten ist es, in Aktien zu investieren. Unabhängig davon, wie stark die Zinsen in den kommenden Quartalen steigen werden, werden die Realzinsen, also Zinsen abzüglich Inflation, voraussichtlich negativ bleiben. Zinsprodukte wie Anleihen sind daher keine adäquate Alternative. Gute Unternehmen haben hingegen gute Chancen, Wertsteigerungen zu generieren und damit Vermögen zu schützen oder zumindest zu erhalten. Das wird aber nicht allen Unternehmen gelingen. Daher ist es wichtig, zu überlegen, in welchen Unternehmen man investiert ist.
Umsatzaspekte
Wichtigster Aspekt ist zunächst einmal, dass die steigenden Preise an die Kunden weitergereicht werden können. Denn wenn die Kunden nicht bereit sind, höhere Preise in Kauf zu nehmen, werden Gewinnspannen des Unternehmens aufgrund der gleichzeitig steigenden Kosten schnell erodieren. Diese Überlegung liegt zwar auf der Hand und wird in diesen Tagen viel bemüht, ist in der Praxis jedoch oftmals nicht ganz trivial. Die meisten Unternehmen können gewisse Preissteigerungen in irgendeiner Form weiterreichen, weshalb wir im Jahr 2022 wahrscheinlich bei vielen Unternehmen auch eine gute Umsatzentwicklung sehen werden. Viele Unternehmen können dies jedoch nur mit einem Zeitversatz tun, etwa wenn das Unternehmen in längerfristigen Projekten engagiert ist, bei denen zuvor feste Preise vereinbart wurden. Es bleibt dann zunächst auf den steigenden Kosten sitzen und kann die höheren Preise nur für neue Aufträge weiterreichen.
Viel entscheidender ist jedoch, dass ein Unternehmen trotz Inflation keinen Mengenverlust hat. Selbst wenn es weniger Mengen verkauft, können die Umsatzerlöse im Zuge der erhöhten Preise steigen, wenn sie an Kunden weitergereicht werden können. Diese erhöhten Umsatzerlöse sind dann jedoch nicht hilfreich, weil die Kosten ebenfalls zulegen. Das gilt schon gar nicht dann, wenn die Kosten überproportional steigen. Die Kosten je verkaufter Einheit (Stückkosten) steigen in diesem Fall und belasten die Rentabilität. Hat z. B. ein Maschinenbauer letztes Jahr 10 Maschinen à 1 Mio. € verkauft und verkauft dieses Jahr nur 8 Maschinen à 1,5 Mio. €, hat er zwar 20 % mehr Umsatz, aber die Kosten pro Maschine sind womöglich durch die erhöhten Preise für Materialien, Personal etc. deutlich gestiegen. Damit ist der erhöhte Umsatz nur bedingt wertschöpfend. Wichtiger als das absolute Umsatzvolumen ist es daher, auf die Mengen, Stückzahlen etc. zu schauen. Grundsätzlich lässt sich zudem sagen, dass Unternehmen im Vorteil sind, deren Produkte notwendigerweise benötigt werden. So können Preise für die meisten Grundnahrungsmittel unmittelbar an die Kunden weitergereicht werden. Im Vorteil sind auch Unternehmen, die Produkte verkaufen, für die es einen transparenten Marktpreis gibt. Ölunternehmen müssen nicht über den Preis verhandeln. Schwierig ist es hingegen für Unternehmen, deren Verkaufspreise fest verhandelt sind. So sind z. B. die Preise für Medikamente oder viele Medizinprodukte gesetzlich reguliert oder fest verhandelt. Bis Anpassungen zum Tragen kommen, kann es daher lange dauern. Bei gleichzeitig steigenden Herstellungspreisen können die Gewinnspannen so schnell unter Druck geraten.
Kostenaspekte
Manche Preise steigen schneller, bei anderen dauert die Anpassung nach oben länger. So werden Kosten für steigende Rohstoffe und andere Vorprodukte meist direkt spürbar. Andererseits dauert es bei den Personalkosten häufig etwas länger, bis diese steigen, weil sie oftmals in Arbeitsverträgen langfristig vereinbart sind.
Insofern stellt sich bei der Betrachtung von Unternehmen die Frage nach der Kostenstruktur. Unternehmen, die hohe Anteile der Kosten für Rohstoffe oder Vorprodukte aufwenden oder die eine hohe Fertigungsintensität aufweisen, werden steigende Kosten schnell spüren. Auch auf Unternehmen mit hohen Frachtkosten oder energieintensive Unternehmen haben erhöhte Kosten direkte Auswirkungen.
Bei den Personalkosten stellt sich die Frage, wo diese entstehen. Fallen sie in Ländern an, in denen die Löhne ohnehin sehr stark steigen (z. B. Osteuropa, Indien), ist das für Unternehmen eher nachteilig, als wenn der Großteil der Mitarbeiter in Ländern aktiv ist, in denen ohnehin schon hohe Lohnniveaus bestehen (z. B. Schweiz, Schweden). Auch Branchen mit starken gewerkschaftlich organisierten Berufsgruppen wie der Stahlindustrie oder der chemischen Industrie sind benachteiligt, weil Lohnerhöhungen durch die Gewerkschaften im Zweifel schneller durchgesetzt werden können. Dagegen sind Lohnkosten in Bereichen mit einer ohnehin guten Bezahlung weniger stark betroffen. Zu nennen sind hier z. B. Berufsgruppen wie Softwareentwickler oder Ingenieure.
Nicht zuletzt ist davon auszugehen, dass die Inflation die Zinsen steigen lassen wird. Das sehen wir bereits jetzt. Daher sind Unternehmen im Nachteil, die in hoher Frequenz auf Fremdkapitalfinanzierung zurückgreifen. Es ist davon auszugehen, dass es z. B. Immobilienentwickler oder Private-Equity-Unternehmen in Zukunft schwieriger haben werden. Günstig ist Inflation hingegen für Unternehmen, die langfristig mit Fremdkapital finanziert sind. Sofern sie in der Lage sind, die steigenden Preise weiterzureichen und tatsächlich höhere Cashflows zu generieren, wird die Rückzahlung der Kredite einfacher, da die Rückzahlungssummen trotz Inflation unverändert bleiben.
Welche Unternehmen kaufen?
Wir sollten in der Phase der Inflation entweder in Unternehmen investieren, die Produkte produzieren, auf die niemand verzichten kann, oder in Unternehmen, die in strukturellen Wachstumsbranchen aktiv sind, d. h. in Branchen, die unabhängig von den Rahmenbedingungen Wachstum aufweisen werden. Zu nennen sind hierbei z. B. Unternehmen aus den Bereichen Digitalisierung, Energiewende oder Unternehmen, die zur Sicherung der nationalen Sicherheit beitragen.
Idealerweise helfen diese Unternehmen ihren Kunden gleichzeitig dabei, selbst effizienter zu werden und Kosten zu reduzieren. Ein Kunde wird dann bereit sein, auch höhere Preise zu bezahlen, wenn dafür anderweitig mehr Kosten eingespart werden können. Digitalisierungslösungen oder Energiesparlösungen sind hierfür gute Beispiele.
Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang auch auf die Kundenstruktur zu schauen. Unternehmen mit Kunden, die selbst Probleme mit der Inflation bekommen, sind schnell durch ausbleibende Umsätze betroffen. An dieser Stelle sind auch Unternehmen eine gute Wahl, deren Kunden der Staat oder staatliche Einrichtungen sind bzw. von staatlichen Förderungen profitieren.
Zudem sind Unternehmen mit einer schlanken Kostenstruktur und einer niedrigen Wertschöpfungstiefe zu bevorzugen, die zugleich einen niedrigen Anteil an marktpreisabhängigen Input Kosten haben (wenig Rohstoffe, Energie, Transport etc.). Im Vorteil sind Unternehmen mit langfristig vereinbarten Kosten (z. B. Arbeitskosten im hoch qualifizierten Bereich) und mit einer hohen intellektuellen Wertschöpfung. Zu erkennen sind diese Unternehmen häufig an einer hohen Rohertragsmarge sowie einer insgesamt hohen Gewinnmarge.