Diese beiden Schritte – betroffene Zellen identifizieren und entfernen – müssen auch durchgeführt werden, wenn ein operativer Eingriff nicht möglich ist. Es ist jedoch unmöglich, die genaue Position unzähliger Krebszellen zu bestimmen, die frei durch die Blutgefäße zirkulieren, geschweige denn, diese einzeln zu entfernen. Was wir also benötigen, ist eine Substanz, die selbstständig die betroffenen Zellen identifiziert, diese zerstört und dabei das gesunde Gewebe unversehrt lässt. Actinium-225 (Ac-225) ist ein vielversprechendes Radionuklid – ein instabiler Atomkern, der durch Zerfall Strahlung abgibt – und könnte in der Krebstherapie diese Funktion übernehmen.
Ac-225 verfügt über eine Halbwertszeit von 10 Tagen und zerfällt somit sehr schnell. Zum Vergleich: Das in Brennstäben von Kernkraftwerken verwendete Uran-235 hat eine Halbwertszeit von 703,8 Millionen Jahren. Ein weiterer Vorteil von Ac-225 ist der hohe Anteil an Alphastrahlung, die es und seine Zerfallsprodukte abgeben. Von den drei Strahlungsarten (Alpha-, Beta- und Gammastrahlung) hat die Alphastrahlung die geringste Reichweite und wird bereits durch wenige Zentimeter Luft oder eine dünne Gewebeschicht abgeschirmt. Das bedeutet, dass nur ein sehr kleiner Bereich um das Radionuklid ionisiert wird. Die Strahlung schädigt also nur das unmittelbar umliegende Gewebe – vergleichbar mit einem Skalpell auf atomarer Ebene.
Damit Ac-225 nicht wahllos Gewebe angreift, wird es an Trägermoleküle wie Antikörper gekoppelt, die spezifisch an Krebszellen binden. Durch diese Kopplung kann ein Wirkstoff erzeugt werden, der nach Verabreichung Krebszellen gezielt sucht, sich an sie bindet und sie effektiv zerstört. Laufende Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse, sodass für das nächste Jahrzehnt ein erheblicher Anstieg der Nachfrage nach Ac-225 prognostiziert wird. Die Herausforderung wird darin bestehen, diese Nachfrage zu decken.
Der größte Nachteil von Ac-225 ist seine Verfügbarkeit. Trotz seines therapeutischen Potenzials ist Ac-225 nach wie vor nicht in ausreichender Menge verfügbar. Grund dafür ist die geringe Halbwertszeit von nur 10 Tagen, die eine längere Lagerung unmöglich macht. Es muss stets kurz vor seiner Anwendung produziert werden. Lieferungen über größere Distanzen stellen daher eine Herausforderung dar. Eine Möglichkeit, Ac-225 zu gewinnen, ist die Bestrahlung in einem Kernreaktor. Dabei werden Thorium-232 oder Radium-226 verwendet – zwei extrem gefährliche und hochradioaktive Materialien, die nur unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen gehandhabt werden können.
Eine weitere Methode zur Produktion von Ac-225 ist der Einsatz eines Zyklotrons, einer Art kleiner Teilchenbeschleuniger. Diese Produktionsweise bietet zusätzliche Vorteile: Das Produkt weist eine höhere Reinheit auf und die Produktionszeit ist kürzer. Der Hersteller für radioaktive Komponenten Eckert & Ziegler hat im Juni 2024 eine Kooperation mit dem Institut für Kernphysik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften geschlossen. Gemeinsam haben sie einen der vielversprechendsten Produktionswege für Ac-225 erforscht und eine Produktionsanlage speziell dafür errichtet. Von diesem Standort aus kann Eckert & Ziegler einen großen Teil des europäischen Marktes mit Ac-225 versorgen.
Am 13. November wurde bekannt gegeben, dass Eckert & Ziegler einen Kooperations- und Lizenzvertrag mit Telix Pharmaceuticals über die von Eckert & Ziegler verwendete Zyklotron-Technologie zur Herstellung von Ac-225 unterzeichnet hat. Telix ist ein global agierendes biopharmazeutisches Unternehmen aus Australien, das sich auf die Entwicklung und Vermarktung von Radiopharmazeutika zur Diagnose und Behandlung von Krebs sowie seltener Erkrankungen spezialisiert hat. Der Vertrag sichert Eckert & Ziegler Zahlungen von bis zu 20 Millionen Euro über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren sowie Zugang zu zusätzlichen Produktionskapazitäten für Ac-225. Die jüngsten strategischen Partnerschaften und technologischen Fortschritte positionieren Eckert & Ziegler als zentralen Akteur in der zukunftsträchtigen Radiopharma-Branche. Mit einem weiteren Ausbau der Kapazitäten und einer steigenden Nachfrage nach präzisen Krebstherapien könnte das Unternehmen langfristig erhebliche Wachstumsimpulse erfahren.