Kaum etwas bestimmt die derzeitige Entwicklung in der Finanzbranche so stark wie das Thema künstliche Intelligenzen. Können Computer und Algorithmen bessere Investmentergebnisse erzielen als Menschen oder sind sie nur eine gute Unterstützung für Menschen beim Treffen von Entscheidungen? Das in den vergangenen Jahren die Technologisierung und Digitalisierung in der Investmentwelt Einzug gehalten hat, ist unbestreitbar. Orders werden elektronisch aufgegeben und in Sekundenschnelle auf elektronischen Börsenplätzen ausgeführt und das rund um den Globus. Der technische Fortschritt hat damit nicht nur den Zugang zu einem globalen Investmentuniversum eröffnet, sondern auch die Chancenvielfalt enorm erhöht. Praktisch jeder mit einem Internetzugang kann in eine Vielzahl an Finanzinstrumenten investieren. Bei richtiger Einschätzung erhöht diese Vielfalt theoretisch auch die Chancen.
Diese enorme Menge an Daten muss natürlich auch verarbeitet werden. Das heißt, wer die Vielzahl an Angeboten auch möglichst effektiv nutzen möchte, muss die verfügbaren Informationen auch verarbeiten können. Das ist auf hohem Niveau für Menschen nicht machbar. Nicht umsonst ist die Quote der Fehleinschätzungen von Anlegern recht hoch. Dem Menschen gelingt es nicht gut genug, alle verfügbaren Informationen zu verarbeiten und in einen Zusammenhang zu bringen. Zu viele Informationen, die zum einen nicht alle erfasst werden und zum anderen nicht in einem Zusammenhang gebracht werden können, sind vorhanden. Unsere Gehirne sind für solche Aufgaben nicht ausgelagt.
An dieser Stelle kommen künstliche Intelligenzen ins Spiel. Diese können nicht nur die unfassbare Menge an Informationen aufnehmen und verarbeiten, sondern können auch aus der Vergangenheit lernen und globale Muster, die sich wiederholen, erkennen. Sollte also der Verfall des Brasilianischen Reals in irgendeiner Form mit der Bewölkungsdichte in Australien zusammenhängen, kann die Maschine diesen Zusammenhang wahrscheinlich ergründen, da sie in der Lage ist, sämtliche Querverbindungen zu erkennen und zu analysieren. Wie sprechen also nicht einfach von Computern, die dabei unterstützen Aktien zu analysieren oder Orders auszuführen. In diesem Zeitalter sind wir längst angekommen. Wir sprechen von Programmen, die aus Erfahrungen lernen und selbst Entscheidungen treffen können.
Robo-Advisor
Künstliche Intelligenzen sind in Form von Robo-Advisors seit einiger Zeit am Markt. Die versprochenen Vorteile liegen auf der Hand. Zum einen sind die Kosten günstiger als bei durch Personen gemanagte Fonds oder Vermögensverwaltungen und zum anderen treffen Maschinen Entscheidungen unabhängig von Emotionen. Zu hohe Kosten und emotionale Einflüsse gelten schließlich als die größten Renditekiller überhaupt. Gut also, wenn man beide Faktoren auf einen Schlag eliminieren kann.
Daraus resultierend stellt sich jedoch die Frage, warum die Angebote von Robo-Advisors zum Beispiel jüngst in der scharfen Korrektur Anfang Februar schlechter abgeschnitten haben, als von Menschen gemanagte Fonds. Dies zeigte eine Untersuchung der Zeitung „Die Welt“ in Zusammenarbeit mit „brokervergleich.de“.
Die Antwort darauf erscheint logisch. Die Programme reagieren auf klar definierte Szenarien an den Kapitalmärkten. Die Bewegung im Februar hat keine fundamentale Veränderung am Markt mit sich gebracht, weshalb keine Reaktion notwendig war. So weit, so gut. Aktive Portfoliomanager haben jedoch in vielen Fällen die Gunst der Stunde genutzt und in die Korrektur hinein ausgewählte Positionen aufgestockt und somit die zu erwartende Erholung aktiv genutzt. Daraus ist aufgrund der folgenden Erholung der Aktienmärkte ein Vorteil entstanden.
Es scheint also so zu sein, dass die Roboter zwar keine falsche Entscheidung getroffen haben, aber eben auch nicht die optimale Entscheidung, zumindest was den Aspekt der Renditeoptimierung anbelangt. Der Schwachpunkt der Robos ist (zumindest noch) die Tatsache, dass die Handlungsszenarien von Menschen definiert sind. Damit reagiert der Roboter nur und passt seine Handlungsweise nicht auf die Veränderungen der Marktsituation an. Hier ist das menschliche Gehirn in der Einschätzung der realen Lage noch überlegen.
Aktives Management im Mittelstand
Vielleicht wird uns die Entwicklung der Technik in den kommenden Jahren noch dazu führen, dass Maschinen tatsächlich noch besser lernen und ihre Handlungsweisen adaptieren und kurzfristig verändern können. Die Entwicklung steht hier immerhin erst am Anfang einer langen Evolution, die vor uns liegt. Vielleicht wird dadurch aber auch ein großer Teil des Marktes ultra-effizient, mit der Folge, dass Überrenditen nicht mehr leicht erzielbar sein werden.
Hier liegt ein großer Vorteil des aktiven Fonds-Managements im Bereich des Mittelstands. Selbst wenn künstliche Intelligenzen in den hochliquiden und transparenten Märkten vollständig selbst agieren können sollten, dürfte das Mittelstandssegment von dieser Entwicklung vorerst verschont bleiben. Ein wesentlicher Faktor ist hierbei die Liquidität. Das Handelsvolumen bei Aktien außerhalb der großen Indizes ist viel niedriger und es kann eben nicht in beliebigen Mengen ge- und verkauft werden. Vielmehr bedarf es Fingerspitzengefühl und intensiver Planung. Die Nische agiert als ein Art Eintrittsbarriere für Maschinen.
Dass das Mittelstandssegment eine besondere Kategorie einnimmt, zeigt sich zum Beispiel bereits an der Entwicklung von passiven Produkten, etwas ETFs. Wenngleich der Siegeszug der ETFs seit vielen Jahren ungebrochen ist, finden sich keine Produkte auf Aktien im Mittelstandssegment. Ein paar wenige Produkte investieren in Aktien des MDAX und SDAX. Das war es dann aber auch schon. Zu klein ist das Segment für die auf viele Millionen Anlagevolumen ausgelegten Produkte. Auch wenn die Gebühren von ETFs niedrig sind, ist es natürlich das Bestreben der Emittenten, Geld mit den Produkten zu verdienen. Und das geht bei minimalen Kosten eben nur, wenn bestimmte Volumengrößen der Fonds erreicht werden.
Zahlen und Emotion
Bei der Analyse von Aktien des Mittelstands kommt es viel mehr auf den richtigen „Riecher“ an, als das in anderen Marktsegmenten der Fall ist. Die Informationsdichte ist weniger hoch und es gibt weniger Einflussfaktoren, die zu analysieren sind, jedoch müssen die Lücken im Verständnis gefüllt werden. Diese Aufgaben können Maschinen nicht übernehmen. Dafür sind nicht nur reine Zahlenspiele notwendig, sondern vielmehr Gespräche mit dem Management, um einen Gesamteindruck der Bewegungsrichtung des Unternehmensorganismus zu bekommen. Erfahrungswerte und persönliche Einschätzungen machen dabei viel aus. Das Verknüpfen von harten Fakten und emotionalen Informationen macht den Unterschied aus und kann von Computern nicht geleistet werden. Wir dürften nicht vergessen, dass die Bewegung der Börsenkurse noch immer von den Handlungen der Marktteilnehmer abhängt, ob es nun Menschen sind oder Roboter. Manchen gelingt es die Handlungen der Menschen gut zu antizipieren und Roboter werden im Zweifel auch Roboter „lesen“ können. Wo soll also eine Überrendite herkommen?
Fazit
Wenn künstliche Intelligenzen dazu beitragen, dass mehr Menschen an den Aktienmärkten investieren, ist das ein begrüßenswerter Effekt. Trotz niedriger Kosten können Anleger meines Erachtens – mit vielleicht wenigen Ausnahmen – langfristig aber auch nicht viel mehr als die Marktrendite erwarten. Der Bereich der mittelständischen Aktien wird auf Sicht ein Segment sein, in dem durch aktives Management die Ineffizienzen des Marktes genutzt werden können, um eine Überrendite zu erwirtschaften. Trotz höherer Kosten gehen wir davon aus, dass damit durch aktives Management Mehrwerte geschaffen werden können. Durch die volumenseitige Spezialstellung des Segments werden Robos hier auch nicht dafür sorgen können, dass es zu einer merklichen Reduktion der Ineffizienzen kommt. Unternehmen sind von Menschen gemacht. Der Faktor Mensch lässt sich aus der Gleichung nicht herausnehmen. Und solange das so ist, werden Menschen auch einen kleinen Vorteil gegenüber Maschinen haben. Der kleine Vorteil, der Investieren spannend und erfolgreich macht.