Natürlich existieren inzwischen automatische Mechanismen, die Cluster des Netzes zum Schutz vor großen Schäden offline nehmen können, aber ein Missmanagement in der Disposition der Energie kann immer noch zu Überlastung, Ausfällen und in Zuge dessen zu gewaltigen Kosten führen. Auch droht durch eine Abschaltung eine Art Dominoeffekt. Vergleichbar ist dies mit einem Verkehrsstau. Wird die ursprüngliche Strecke gesperrt und alle Fahrzeuge auf dieselbe Umgehung umgeleitet, so wird es auch auf der neuen Route wahrscheinlich kein Vorwärtskommen geben. Damit der Fluss umgeleitet werden kann, müssen eventuell auf anderen Leitungen erst Kapazitäten freigeräumt werden.
Für den Betrieb eines funktionalen deutschland- oder europaweiten Energienetzes ist es somit essenziell den Energieoutput der einzelnen Erzeuger zu kontrollieren, um eine sichere Umleitung zu gewährleisten. Wie komplex das europäische Energienetz eigentlich ist, wird schnell anhand dieser Karte deutlich. Je mehr Kraftwerke im Netz für überwachende Instanzen steuerbar sind, desto wirkungsvoller lässt sich die Energie umleiten.
Ein erster Grundstein wurde mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz 2011 gelegt. In diesem werden Kraftwerkbetreiber ab einer bestimmten Größe dazu verpflichtet, an der Weiterleitung des Stroms, offiziell Redispatching genannt, teilzunehmen. Um Bedarfs- und Produktionsspitzen, wie sie beispielsweise durch schwankende Erzeugnisse, Wartungsarbeiten oder Ausbaumaßnahmen auftreten können, Herr zu werden, wurden diese Regularien im Oktober 2021 novelliert. Das sogenannte Redispatching 2.0 ermöglicht den Netzbetreibern auch den Output von kleinere Energieproduzenten, wie Solarparks, zu steuern.
Die Forschungsarbeit an der nächsten Stufe zu einem belastbaren und leistungsstarken Netz wurden am ersten Januar dieses Jahr begonnen. Redispatching 3.0 führt zwar die Namensgebung fort, verfolgt aber einen völlig neuen Ansatz: Statt auf Engpässe dann zu reagieren, wenn sie auftreten, soll in Zukunft eine Künstliche Intelligenz verwendet werden, um Schwankungen zu antizipieren. Der Grundstein ist mit der durch Redispatching 2.0 aufgebauten Kommunikationsstruktur zu den Betreibern bereits gelegt. Im weiteren Ausbau soll eine Cloud eingebunden werden, die auch die Integration von kleinen Stromerzeugern ermöglicht.
Eines der Unternehmen, denen die Forschungsarbeit an Redispatching 3.0 anvertraut wurde, ist der Softwareentwickler PSI. Als europäischer Marktführer für Energieleitsysteme kümmert sich das Unternehmen um den Organisationsentwurf des Energieflusses. Zudem treibt PSI maßgeblich die Entwicklung der Kommunikationsstruktur voran, mit der zukünftig Übertragungs- und Verteilungsnetz-Betreiber sowie Erzeuger und Verbraucher durch intelligente Messsysteme Daten und infolgedessen Energie austauschen werden.