FOMO ist ein Phänomen, das die Angst beschreibt, etwas zu verpassen. Dabei ist FOMO die Abkürzung für “Fear Of Missing Out” (zu deutsch: Angst, etwas zu verpassen) und ist vor allem in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund sozialer Netzwerke und Smartphones als “Volkskrankheit” in Erscheinung getreten. Dabei beschreibt FOMO eine menschliche Verhaltensweise im Rahmen des sozialen Gefüges. Das Zusammenleben der Menschen ist in Gruppen organisiert – die meisten Menschen haben das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören und sich innerhalb dieser Gruppe auch zugehörig zu fühlen.
Dabei ist FOMO sicherlich keine neuartige Erscheinung. Vielmehr ist der Drang nach Gruppenzugehörigkeit beim Menschen bereits seit jeher ausgeprägt. Es ist also nur konsequent, dass Menschen befürchten, innerhalb ihrer Gruppe Dinge oder Ereignisse zu verpassen. Das beinhaltet auch, dass die ständige Angst besteht, falsche Entscheidungen bezüglich der Zeitnutzung zu treffen.
Mit dem Aufkommen von Smartphones und Social Media hat sich FOMO jedoch noch einmal verstärkt. Durch die permanente Informationsflut anderer Gruppenmitglieder wird der Effekt, zu denken, man habe eventuell eine falsche Entscheidung getroffen, noch intensiviert. Aktuelle Bilder einer Geburtstagsparty, auf die man nicht gegangen ist oder eines Urlaubsausflugs, an dem man nicht teilnehmen konnte, sind Beispiele, die vielen Menschen ein schlechtes Gefühl geben und sie zumindest unterbewusst grübeln lassen, ob sie ihre Prioritäten nicht eventuell besser hätten setzen müssen.
FOMO an der Börse
Auch an der Börse ist FOMO präsent. Gerade in Phasen steigender Börsen merkt man dies sehr gut und vor allem immer häufiger, je länger der Aufwärtstrend anhält. Wie oft hat man bereits Anleger lamentieren hören, dass sie doch in Aktie X hätten investieren sollen? Sie hätten ja schließlich gewusst, dass die Aktie innerhalb von vier Monaten um 100% zulegen würde.
Je häufiger dies vorkommt, desto schwieriger wird die Situation. Irgendwann wird nämlich der Druck auf sich selbst, ständig falsche Entscheidungen getroffen zu haben (im Beispiel die Entscheidung, nicht zu investieren), so groß, dass die Ratio vollständig aussetzt und man einfach nur noch dabei sein will, um nicht noch mehr zu verpassen. Wenn das in der Breite passiert, so kommt es im schlimmsten Fall zur Blasenbildung an den Börsen, mindestens jedoch werden die Preisniveaus nach oben getrieben.
Wir alle wissen nur zu gut, wie dieses Spiel endet. Wenn die Preisniveaus zu hoch steigen und den fairen Wert übersteigen, dann wird es früher oder später zu einer Korrektur dieser Bewertungen und, damit einhergehend, Kursrückgängen kommen. Wer aus FOMO-Gründen investiert war, wird jetzt eine bittere Enttäuschung erleben und monetär verlieren. Angesichts der Enttäuschung wird dieser Anleger dann wieder eher passiv sein und nicht in Aktien investieren. Das wird er solange machen, bis der Druck, zu investieren, in der nächsten ausgeprägten Aufwärtsphase aus FOMO wieder so groß wird, dass er nicht widerstehen kann. Das Spiel geht von vorne los.
Herdentrieb
Das geschilderte Problem betrifft nicht nur die Angst, die Aufwärtsbewegung zu verpassen, sondern führt noch weiter. Der Effekt wird durch den Umstand verstärkt, dass “alle anderen” ja auch schon investiert sind. Dadurch lassen wir uns den Druck von den Schultern nehmen, die Entscheidung alleine treffen zu müssen.Wenn das Investment nicht aufgeht, steht man immerhin nicht alleine da und kann vielleicht sogar jemand anderen dafür verantwortlich machen. Die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, ist bei uns Menschen enorm hoch und kann eine lähmende Wirkung verursachen, die wiederum genauso kontraproduktiv ist.
Daher folgen viele Anleger auch gerne “heißen Tipps” und Empfehlungen von “Gurus”. Wenn die Entscheidung zu investieren nicht aufgegangen ist, dann ist das Geld zwar trotzdem verloren, aber zumindest kann man die Verantwortung dafür auf jemand anderen übertragen. Der Rückschlag tut damit etwas weniger weh und lässt sich auch im sozialen Rahmen, also gegenüber der Familie oder Freunden, besser erklären.
Das Verhalten von einzelnen Anlegern ist in sehr vielen Fällen vom Gruppenverhalten, also dem kumulierten Verhalten der anderen Anleger, geprägt. Aus den oben genannten Gründen entsteht unter anderem der sogenannte Herdentrieb. Dieser bezeichnet die Situation, dass Anleger dazu neigen, sich lemmingartig gegenseitig zu imitieren. Ist eine Aktie gut gestiegen, induziert das weitere Käufe, unabhängig von der Bewertung der Aktie. Fällt eine Aktie, wird auch von anderen Anlegern verkauft. Durch dieses Verhalten entstehen an den Börsen immer wieder uniforme Bewegungen, die zu Übertreibungen neigen und am Ende den Meisten Verluste bescheren, weil das Eis, von der Bewertungsseite aus betrachtet, immer dünner wird und schließlich bricht.
Vergessen Sie, was passiert ist
Was an den Börsen passiert ist, also welche Kursbewegungen in der Vergangenheit stattgefunden haben, ist vollkommen irrelevant. Es wird immer Unternehmen geben, deren Börsenkurse sich besser entwickelt haben als die eigenen Depotaktien. Wenngleich es natürlich Anspruch eines guten Börsianers ist, dem Optimum sehr nahe zu kommen, wird es auch dem besten Anleger nie gelingen, zu jeder Zeit die besten Aktien der Welt im Depot zu haben.
Noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass es Ihnen überhaupt nichts nützt, über vergangene Entwicklungen zu lamentieren. Sie waren nicht dabei und können das auch nicht nachholen. Die Chance ist vorbei, aber es werden sich genauso neue Chancen ergeben. Natürlich muss man immer am Ball bleiben, um möglichst wenige gute Chancen zu verpassen. Aber was vorbei ist, ist vorbei. Abgesehen davon kann es genauso gut sein, dass eine Aktie, die bereits sehr stark gestiegen ist, noch immer attraktiv ist. Es kommt nicht auf den Kursanstieg an, den die Aktie hinter sich hat, sondern auf ihr Bewertungsniveau und ihre zukünftigen Chancen.
Ohnehin sind viele Anleger sehr vergangenheitsorientiert. Vor allem Charts können keine Aussage über die zukünftige Entwicklung treffen. Auch vergangene Zahlen sind keine Maßgabe. Der Unterschied ist, dass durch eine saubere Analyse der Zahlen und durch ein intensives Auseinandersetzen mit dem Unternehmen mögliche Entwicklungen in der Zukunft mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit antizipiert werden können. Aus Charts lässt sich das nicht ableiten. Letzten Endes zählt jedoch ausschließlich, wie sich ein Unternehmen operativ in der Zukunft entwickeln wird – und die Bewertung seiner Aktie.
Antizyklisch handeln
Eine häufig zitierte Strategie, um Herdentrieb zu vermeiden, ist antizyklisches Verhalten an den Börse. Das heißt, dann zu kaufen, wenn alle anderen verkaufen und dann zu verkaufen, wenn alle anderen kaufen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, da das FOMO-Gefühl dadurch ja gerade noch bestärkt wird, dass man nicht investiert ist, wenn die Börsen steigen und umgekehrt.
So darf man antizyklisches Verhalten jedoch nicht verstehen. Es geht vielmehr darum, die Bewertungsniveaus im Auge zu behalten und nur dann zu investieren, wenn sich diese noch in einem vertretbaren Rahmen bewegen. Das heißt, dass man grundsätzlich schon investiert sein sollte, wenn die Börsen steigen, aber nur solange, wie es die Bewertungen eben zulassen. Haben Sie zum Beispiel den Grundsatz, nicht mehr als ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 für eine Aktie zu bezahlen, dann sollten Sie dabei auch bleiben.
Es wird der Tag kommen, an dem es immer schwieriger werden wird, Aktien zu finden, die noch in das bewertungsseitige Anforderungsprofil passen. Dann muss die Konsequenz sein, keine neuen Investments einzugehen. Genauso muss die Konsequenz sein, Aktien im Depot zu verkaufen, deren Bewertungsniveaus aufgrund stark gestiegener Kurse zu hoch geklettert sind. Wenn Sie das beherzigen, wird sich Ihre Investitionsquote mit zunehmender Reife des Aktienmarktzykluses fortlaufend senken und Sie werden im Gleichzug in die Aufwärtsbewegung des Marktes hinein ihre Cashposition aufbauen. Das ist antizyklisch genug, um dem Herdentrieb zu entgehen. Sie dürfen sich nur nicht von einer möglichen Euphorie am Markt dazu verleiten lassen, ihre Kriterien aufzuweichen.
Natürlich kann es sein, dass Sie dann vergleichsweise gering im Markt investiert sind und die Börsen dennoch weiter nach oben gehen. Das kann auch dazu führen, dass das FOMO-Gefühl Ihnen sagt, dass man doch ruhig etwas laxer mit der Bewertung umgehen könne. Dagegen müssen Sie ankämpfen. Wenn es kein überzeugendes Investment gibt, dann investieren Sie nicht.
An Strategien festhalten
Oftmals ist es auch so, dass bestimmte Anlageklassen oder Kategorien gerade einen guten Lauf haben oder in der Breite großen Anklang finden. Auch das ist eine Falle, in die viele Anleger tappen. Wenn Sie auf Aktien spezialisiert sind, sollte Ihnen ein möglicher Hype um ETFs relativ egal sein. Wenn Sie sich auf Aktieninvestments auf Basis von Fundamentalbewertung ausgerichtet haben, sollte es Ihnen relativ egal sein, wenn Biotech-Aktien gerade nach oben schießen. Bleiben Sie Ihrer Strategie treu. Es gibt keinen Grund davon auszugehen, dass Sie in anderen Bereichen etwas verpassen. Daher macht es genauso wenig Sinn, den Bereich zu verlassen, in dem man sich auskennt und in dem man erfolgreich ist. Vor allem ist aber entscheidend, unabhängig zu handeln und sich nicht von Drittpersonen beeinflussen zu lassen.
Fazit
Unser ureigener Antrieb der sozialen Zugehörigkeit lässt in uns die Angst entstehen, innerhalb einer Gruppe etwas zu verpassen. Mit den neuen Medien und Technologien hat sich aus diesem seit Menschengedenken bestehenden Phänomen der Begriff FOMO – Fear Of Missing Out – geprägt. FOMO hat auch an der Börse seinen Einfluss und führt vor allem dazu, dass sich Anleger homogen verhalten und dabei Übertreibungen verursachen. Wer an der Börse erfolgreich agieren möchte, muss versuchen, sich diesem Drang zu entziehen und eigenständige, nicht an anderen ausgerichtete, Entscheidungen zu treffen. An der Börse, wie auch in den meisten Situationen des täglichen Lebens, gibt es überhaupt keinen Grund für FOMO. Was geschehen ist, ist vorbei. Neue Chancen werden aber genauso sicher wieder kommen.