Es gibt viele verschiedene Ansätze, um in Aktien zu investieren. Während sich die einen auf Schwellenländer spezialisieren, setzen andere Investoren in reife Märkte. Einige legen ihr Geld in großen Konzernen an, andere Anleger konzentrieren sich eher in kleinere Unternehmen. Die Bandbreite ist groß und die Vielfalt an Möglichkeiten lässt für jede Preferenz bzw. Fähigkeit ausreichend Spielraum.
Eine Eigenschaft haben jedoch alle Aktien gemeinsam: sie schwanken. Aktienkurse verlaufen niemals linear, sondern sind einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Die Versuchung von diesen Schwankungen zu profitieren, also bei niedrigen Kursen einzusteigen und bei hohen Kursen auszusteigen, ist hoch. Vor allem in der retrospektiven Betrachtung von Chartbildern erscheint diese Vorgehensweise sinnvoll und vor allem simpel.
Der Unterschied zwischen Investieren und Spekulieren
Diese Herangehensweise entspricht der Definition von Spekulation und ist ganz deutlich vom Ansatz des Investierens zu unterscheiden. Mittels der Spekulation wird versucht die Aktienkursentwicklung korrekt vorherzusagen und entsprechend zu handeln. Um hierbei erfolgreich zu sein, bedarf es jedoch nichts weiter als Glück. Keiner kann Marktbewegungen vorhersagen, was vor allem für den kurzfristigen Zeithorizont gilt. Selbst wenn man hier einige Fähigkeiten oder Modelle entwickeln kann, sitzt man als “Kleinanleger” vermutlich am kürzeren Hebel, denn der Informationsvorsprung und die Ressourcen der großen Spieler am Markt sind zweifelsohne so groß, dass wir letzten Endes nur hinterherlaufen können.
Investieren verfolgt einen anderen Ansatz und kann nur deutlich schwerer durch technische Ressourcen dargestellt werden. Die Herangehensweise hat einen komplett anderen Hintergrund. Investieren heißt, das Preislevel einer Aktien zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu beurteilen und einzuschätzen, ob dieses Niveau günstig oder teuer ist. Dabei ist es vollkommen egal, ob ein Kurs zuletzt gestiegen oder gefallen ist. Der Versuch Hoch- oder Tiefpunkte zu treffen, ist beim Investieren vollkommen irrelevant, da Vorhersagen des Marktes zum einen ohnehin nicht möglich und zum anderen – und das ist noch viel wichtiger – auf lange Sicht nicht entscheidend sind.
Das kleine Wort “langfristig” ist im vorherstehenden Satz entscheidend. Wer sich an der Börse das schnelle Geld verspricht und denkt, dass mittels Spekulation ein schneller Wohlstand aufgebaut werden kann, wird bitter enttäuscht werden. Investieren braucht Zeit, da auch die Unternehmen, in die man investiert, nicht über Nacht von einer Garagenfirma zum Weltkonzern aufsteigen. Auch vermeintlich junge Multi-Milliarden-Konzerne, wie Apple oder Microsoft, haben eine Historie von mehreren Jahrzehnten.
Der Aktie ist egal wie hoch sie gestiegen ist
Diese Sichtweise macht einen bedeutenden Unterschied aus. Während der Spekulant von Hektik getrieben ist, hat man als Investor einen ganz anderen Zeithorizont. Dies gibt einem auch die Möglichkeit auf sehr gute Chancen am Markt zu warten. Dadurch lässt sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Investment am Ende auch erfolgreich aufgeht. Wer sich von zeitlichem Druck leiten lässt, um sein Geld zu vermehren, hat am Ende die schlechteren Karten.
Oftmals verspüren Anleger diesen Druck, z.B. wenn die Börsen schon eine Weile gut gelaufen sind. Entweder weil sie nicht investiert sind und sich auf Grund der gestiegenen Kurse nicht in den Markt trauen oder weil sie investiert ist und der Meinung sind, dass die Aufwärtsphase bald zu Ende sein könnte. Aber es ist überhaupt nicht notwendig sich einem solchen Druck auszusetzen. Der Grund ist ganz einfach, dass man sowieso nicht weiß, ob ein Kurs gerade “oben” ist.
Es ist der Aktie egal, ob sie schon um 1.000% gestiegen ist. Genauso ist es der Aktie egal, ob sie gerade um 50% gefallen ist. Davon auszugehen, dass das weitere Potenzial einer Aktie begrenzt sei, nur weil sie bereits stark gestiegen ist, ist ein Trugschluss, den man beim Investieren unbedingt vermeiden muss. Genauso ist es umgekehrt ein Trugschluss zu vermuten, dass eine Aktie nicht mehr fallen kann, wenn sie schon einen ordentlichen Rücksetzer hinter sich hat. Auch vom niedrigsten Kursniveau aus kann immer noch ein Verlust von 100% entstehen.
Die entscheidende Frage ist vielmehr stets, ob es Aufwärtspotenzial gibt, von welchem Kursniveau auch immer ausgehend. Und Potenzial ist immer dann da, wenn ein gesundes und gutes Unternehmen in Relation zu seiner Ertragskraft günstig bewertet ist. Ob eine Aktie auf einem beliebigen Kursniveau günstig oder teuer ist, lässt sich sehrwohl einschätzen. Entsprechend gehört es zur Kernaufgabe beim Investieren, zu evaluieren, ob ein Unternehmen zum einen attraktive Zukunftsaussichten hat und zum anderen im Verhältnis dazu mindestens angemessen, besser noch, günstig bewertet ist.
Die Illusion des Kurses
Noch einmal: Das Aktienkurse Schwankungen unterworfen sind, ist Fakt. Wie oben schon einmal erwähnt, sind diese Kursschwankungen jedoch vollkommen irrelevant, wenn Sie als Investor und nicht als Spekulant aktiv sind.
Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir nur auf dem Papier reicher sind, wenn Aktienkurse steigen. Dieser Aktienkurs spiegelt in keiner Weise die realistische Situation eines Unternehmens wider. Nur weil ein Kurs an einem Tag z.B. um 10% steigt, bedeutet das ja nicht, dass das Unternehmen an diesem Tag seinen Gewinn um ebenfalls 10% gesteigert hätte. Aber das ist der entscheidende Punkt. Als Aktionäre halten wir Anteile an realen Unternehmen. Wir halten einen gewissen Anteil an realen Werten wie Maschinen, Gebäuden, IT-Systemen etc., mit denen die Unternehmenslenker und Mitarbeiter versuchen Gewinne zu erwirtschaften.
Die Wertentwicklung dieser Unternehmen drückt sich folglich einzig und allein darin aus, wie gut gewirtschaftet wird, also in Umsatzerlösen und Gewinnen. Solange die Umsatz- und Ertragslage eines Unternehmens also gut ist und Steigerungen erzielt werden, sind Kursschwankungen von einer sehr untergeordneten Bedeutung. Damit gilt, dass das Kaufen und Verkaufen von Unternehmen viel seltener notwendig ist, als das der Kursverlauf einer Aktie möglicherweise vermitteln mag. Unternehmen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum hinweg und entsprechend ist auch der reale Wertzuwachs eines Unternehmens ein langfristiger Prozess.
Reale Werte im Blick
Diese Erkenntnis zu haben, ist sehr wichtig. Das Bewusstsein darüber, dass man als Aktionär in wahre Realwerte investiert, die eben nicht von heute auf morgen ihren Wert vervielfachen, sondern dafür harte und erfolgreiche Arbeit von Menschen notwendig ist, die in den Betrieben und Werkshallen arbeiten, verändert die Sichtweise deutlich. Dies berücksichtigt, erscheint das Klammern an Aktienkurse und deren kurzfristigen Schwankungen geradezu absurd.
Während also die Fluktuation der wahren Wertentwicklung von Unternehmen viel niedriger ist, als dies Aktienkurse ausdrücken, sind Aktienkurse wiederum nur ein Gradmesser dafür, ob ein Unternehmen gerade günstig oder teuer bewertet ist. Denn durch die Kursschwankungen ist es möglich, dass man Unternehmen mit einem bestimmten Wert viel günstiger kaufen kann, als es eigentlich ist. Im Umkehrschluss heißt das aber eben auch, dass man eine Aktie nicht nur deshalb kaufen sollte, weil sie gefallen ist und nicht nur deshalb verkaufen sollte, weil sie gestiegen ist. Vielmehr muss der Kurs im Zusammenspiel mit der Bewertung des dahinter stehenden Unternehmens gesehen werden.
Und das ist der Umstand den es auszunutzen gilt. Auf der Suche nach guten Unternehmen, deren Mitarbeiter exzellente Arbeit leisten und deren Produkte bei den Kunden benötigt werden und deren Management gute Entscheidungen treffen, wird man immer wieder auf Beispiele stoßen, deren Aktienkurs eben gerade nicht den wahren Wert dieses Unternehmens widerspiegelt. Diese Chancen gilt es zu ergreifen, um von der langfristigen Wertentwicklung dieser hervorragenden Unternehmen zu partizipieren.
Fazit
Es macht einen wichtigen Unterschied, ob man Aktienkurse als Signale für den Ein- und Ausstieg in eine Aktie betrachtet oder als Gradmesser dafür, wie teuer eine Aktie bewertet ist. Erstere Betrachtungsweise verführt zu kurzfristigem Denken und spekulativen Handeln. Die letztere Betrachtungsweise wirft die Frage auf, was denn überhaupt für ein Unternehmen hinter dem Kurs der Aktie steht und wie sich das Unternehmen – operativ betrachtet – entwickelt. Denn nur wenn man weiß, was ein Unternehmen produziert und wie es das tut, kann man einschätzen, ob der Wert an der Börse aktuell richtig reflektiert wird. Nur mit dieser langfristigen Betrachtungsweise lässt sich sinnvoll und nachhaltig erfolgreich in Aktien investieren. Damit wird auch deutlich, dass nicht das Verfolgen von Kursentwicklungen entscheidend ist, sondern das Verfolgen der Umsatz- und Gewinnentwicklung der zugrundeliegenden Unternehmen.