Wenn es darum geht, erfolgreiche Unternehmen und damit gute Aktien zu identifizieren, ist es häufig so, dass Anleger sehr stark auf die Umsatzentwicklung fixiert sind. Sehr häufig ist Wachstum damit das vermeintliche Hauptargument für eine Aktie. Dieser Umstand lässt sich schon allein an den verschiedenen Hypes ablesen, die in den vergangenen Jahren zu beobachten waren. Derzeit ist das Thema Elektromobilität zum Beispiel eines der Spitzenthemen, das für einige Unternehmen in den kommenden Jahren hohes Wachstum verspricht. Dementsprechend werden Aktien von Unternehmen in diesem Bereich nach oben getrieben.
Die Historie hat gezeigt, dass solche “Wachstumsthemen” meist nicht von langer Dauer sind. Der Hintergrund ist dabei vor allem der, dass immer mehr Unternehmen auf den Zug aufspringen wollen und versuchen, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Oftmals ist es bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit so, dass ein großer Teil der Unternehmen nicht mehr am Markt ist oder zumindest in den Spitzenpositionen keine Rolle mehr spielt.
Dieser Umstand liegt oftmals gar nicht daran, dass die Wachstumspläne nicht aufgehen. Vielmehr sind vergangene Wachstumsthemen wie die Internet- oder Nanotechnologie heute ein fester Bestandteil der Wirtschaft. Aber es haben eben nur wenige Unternehmen geschafft, sich in diesen Bereichen einen festen Platz zu ergattern.
Grund für das Scheitern vieler Unternehmen ist in diesem Zusammenhang also nicht der Umstand, dass die Wachstumschancen verschwinden, sondern häufig ist zu beobachten, dass Unternehmen mit dem Wachstum nicht umgehen können. Das bedeutet, dass es Unternehmen nicht schaffen, die Kosten in Relation zum Umsatz in einem angemessenen Rahmen zu halten. Zu hohe Kosten lassen das Ergebnis nicht ausreichend hoch ausfallen um die Kapitalkosten zu decken oder führen sogar zu Verlusten. Damit scheiden Unternehmen früher oder später aus dem Markt aus.
In der Analyse von Unternehmen ist es nicht zuletzt aus diesem Grund essenziell wichtig, die Kostenentwicklungen im Auge zu behalten. Dies ist dabei nicht nur bei Unternehmen mit hohen Wachstumschancen der Fall. Hat eine Gesellschaft die Kosten im Griff, ist es nicht einmal notwendig, ein hohes Wachstum aufzuweisen, um eine positive Wertschöpfung zu erzielen. Vielmehr erreichen einige der besten Unternehmen nicht durch hohes Wachstum den Mehrwert für ihre Aktionäre, sondern durch strikte und konsequente Kostenkontrolle.
Materialkosten/ Rohstoffkosten
Wenn Unternehmen den Einsatz von Materialien oder Rohstoffen in ihrem Produktionsprozess benötigen, müssen sie meist mit Schwankungen der Preise zurechtkommen. Dies kann sich in beide Richtungen auswirken und massive Effekte auf der Ergebnisseite haben. Es ist als Anleger daher unvermeidlich zu verstehen, welche Einsatzstoffe für ein Unternehmen von Bedeutung sind. Zudem sollte man die Entwicklung der Preise verfolgen. Wenn die Preise der Einsatzstoffe nicht öffentlich bekannt sind, weil es sich etwa um Spezialprodukte handelt, dann hilft oftmals das regelmäßige Gespräch mit dem Management. Viele Unternehmen äußern sich auch in ihren Quartalsberichten zu den Preisentwicklungen.
Neben dem Umstand zu wissen, mit welchen Einflussfaktoren man es zu tun hat, kommt es im zweiten Schritt darauf an, zu verstehen, wie das Unternehmen mit schwankenden Preisen umgeht. Gegen Preisschwankungen bei einigen Rohstoffen lassen sich zum Beispiel Absicherungsgeschäfte tätigen, andere Materialien sind hingegen kaum Schwankungen unterworfen. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu beachten, wie viele Möglichkeiten der Beschaffung ein Unternehmen hat. Kann es auf viele Lieferanten zurückgreifen, ist die Verhandlungsmacht meist besser als bei sehr wenigen oder gar nur einem Lieferanten.
In der Gänze der Betrachtung lässt sich bei den meisten Unternehmen ein sehr guter Eindruck davon gewinnen, wie hoch die Abhängigkeit von Einsatzstoffen ist und wie das Unternehmen mit Veränderungen in diesem Umfeld umgehen kann.
Personalkosten
Bei den meisten Unternehmen sind Personalkosten der größte Kostenblock überhaupt. Entgegen den Materialkosten sind Personalkosten jedoch weniger abhängig von der Menge, die produziert wird. Vielmehr sind Personalkosten überwiegend fix. Das hat zur Folge, dass diese Position noch viel kritischer ist als der Materialaufwand. Wenn ein Unternehmen nämlich in eine Umsatzdelle gerät, belasten die Personalkosten das Ergebnis ungleich höher, da eine Reduktion – wenn überhaupt – nur mit einer zeitlichen Verzögerung einhergehen kann.
Aus dieser Warte betrachtet ist es nur allzu verständlich, dass die Industrie seit jeher eine Lockerung des Kündigungsschutzes und die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen, wie etwa Kurzarbeit, Zeitarbeit etc., fordert. Aber die Unternehmen gehen auch andere Wege, um die Personalkosten zu reduzieren. Ein weit verbreiteter Trend ist die Verlagerung von bestimmten Produktionsschritten ins Ausland. Im IT-Bereich zum Beispiel ist dies inzwischen eine weit genutzte Alternative, zumal Experten hierzulande immer schwerer zu bekommen sind, was auch die Kosten in die Höhe treibt.
Die Digitalisierung erlaubt es heute auch immer mehr, die menschliche Arbeitskraft komplett zu ersetzen. Viele Arbeitsschritte, die bislang noch von Menschen erledigt werden müssen, können zunehmend von Maschinen übernommen werden. Unternehmen, die in die Automatisierung ihrer Produktion setzen, können vor diesem Hintergrund einen deutlichen Produktivitätsschritt vollziehen.
Selbstverständlich funktioniert das nicht in allen Branchen. In vielen Branchen ist die menschliche Arbeitskraft auch in Zukunft nicht zu ersetzen. In diesen Bereichen sollte man genau prüfen, welche Größen einen Einfluss auf den Faktor Arbeit haben. Ist das Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber? Gibt es Tarifverträge? Gibt es ausreichend Angebot auf dem Arbeitsmarkt für diesen Bereich? Können Auftragsspitzen durch Leiharbeiter oder die Beauftragung von Subunternehmern abgefangen werden? Solche Faktoren haben langfristig einen wesentlichen Einfluss darauf, wie sich die Personalkosten entwickeln werden.
Verwaltungskosten
Einen nicht unwichtigen Teil stellen auch die Verwaltungskosten dar. Zu großen Teilen umfassen diese auch Personalkosten. Vor allem handelt es sich dabei um Personal, das jedoch nicht direkt in den Leistungserstellungsprozess integriert ist, sondern übergreifende Funktionen wahrnimmt, etwa im Rechnungswesen, der IT oder in der Rechtsabteilung. Diese Funktionen sind damit noch weniger flexibel an eventuelle Auftragsschwankungen anpassbar, da Querschnittsfunktionen immer benötigt werden.
Vor diesem Hintergrund ist es bei der Unternehmensanalyse sehr wichtig, darauf zu achten, wie ein Unternehmen organisiert und ob der Verwaltungsapparat schlank oder üppig gestaltet ist. Auch hier lassen sich im Zuge der zunehmenden Digitalisierung sicherlich Kosteneinsparungen erreichen, dennoch wird der Verwaltungsapparat ein wichtiger Kostenfaktor bleiben.
Es ist mitunter nicht leicht, die Höhe der Verwaltungsaufwendungen und deren Angemessenheit zu bestimmen. Das liegt vor allem auch daran, dass zu den Verwaltungskosten nicht nur Personalaufwendungen zählen, sondern auch Positionen wie Mieten, Rechtskosten, Versicherungen etc. Auch die Art und Weise der Bilanzierung eines Unternehmens kann einen Unterschied bei der Möglichkeit der Einschätzung ausmachen. Daher ist es wichtig, den Punkt Verwaltungskosten ganz genau im Auge zu haben und im Zweifel einen Blick mehr aufzuwenden.
Forschungs- und Entwicklungskosten
Forschung und Entwicklung ist vor allem für Unternehmen des deutschen Mittelstands ein zentrales Thema. Nur durch technologische Fortentwicklung können viele Unternehmen ihre starken Marktpositionen langfristig behaupten und Marktanteile halten oder ausbauen.
Natürlich ist es so, dass diese Bemühungen auch von Erfolg gekrönt sein müssen. Wenn sich Forschung & Entwicklung nicht in Umsatzerlösen niederschlägt, verbleiben nur Kosten und damit “verbranntes Geld”. Eine Beobachtung dessen, für welche Produkte bzw. Projekte ein Unternehmen welche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aufwendet, kann aus diesem Grund ein entscheidender Faktor sein. Auch die Beobachtung, welche der Entwicklungsprojekte zur Marktreife gelangen und wie erfolgreich diese sind, kann entscheidende Informationsvorteile bringen.
Zinskosten
Eine nicht zu unterschätzende Kostenposition sind auch Zinskosten. Die meisten Unternehmen arbeiten in einem bestimmten Umfang mit Fremdkapital, sprich mit Bankdarlehen oder ähnlichen Fremdfinanzierungsinstrumenten. Für das Risiko der Kreditgeber wird ein Zins verlangt. Je nach Größenordnung der Fremdfinanzierung kann die Zinsbelastung eines Unternehmens die Ergebnisse für die Eigenkapitalgeber, also die Aktionäre, belasten. Nicht zuletzt birgt Fremdfinanzierung auch ein weiteres Risiko für Aktionäre. Fremdkapital ist in aller Regel vorrangig, was bedeutet, dass ausstehende Zahlungen zuerst geleistet werden müssen. Gerät ein Unternehmen also in eine prekäre Situation, erhalten Fremdkapitalgeber ihr Geld vor den Aktionären. Manchmal verbleibt für Aktionäre dann überhaupt nichts mehr.
Damit es zu einer solchen Extremsituation erst gar nicht kommt, sollte man die Zinskosten genauestens im Auge behalten. Das gilt umso mehr, je größer der Anteil der Fremdfinanzierung ist. Aber auch ungeachtet dessen sind Zinskosten eine interessante Stellschraube, um den Gewinn für die Aktionäre zu erhöhen. Gerade im derzeitigen Niedrigzinsumfeld gelingt es vielen Unternehmen gut, die bestehenden Kredite zu deutlich besseren Konditionen neu abzuschließen oder zu verlängern, mit dem Effekt, dass mehr Ergebnis bei den Aktionären verbleibt. Die Planungen und Potenziale hieraus auszuloten, kann also ein guter und lohnenswerter Hebel sein.
Fazit
Wachstum ist nur die eine Seite der Medaille. Gegenüber einer erfolgreichen Umsatzentwicklung stehen immer auch Kosten. Bei allem potenziellen umsatzseitigen Erfolg eines Unternehmens gilt: Wenn die Kosten nicht im Lot sind, wird sich dennoch kein Erfolg in Form eines angemessenen Gewinns einstellen. Insofern ist die Betrachtung der Kosten bei der Analyse von Unternehmen ein Faktor, dem mindestens eine ebenso wichtige Bedeutung zukommt, wie der Betrachtung der Wachstums- und Umsatzpotenziale. Vielmehr können sogar Unternehmen mit wenig Wachstum durch ein striktes Kostenmanagement erfolgreich sein und eine positive Wertschöpfung betreiben. Auch wenn der Analyseaufwand der Kostenstrukturen hoch ist, lohnt sich dieser, da er sich in einer besseren Rendite niederschlägt.