Pensionsrückstellungen ist eine der am meisten verkannten Positionen, wenn es um die Analyse von Bilanzen geht. Gleichzeitig kommt dieser Position jedoch tatsächlich eine durchaus hohe Bedeutung zu. In vielen Fällen machen Pensionsrückstellungen nämlich einen ganz wesentlichen Anteil an der Bilanzsumme aus und bestimmen damit die Höhe des Verschuldungsgrades eines Unternehmens bzw. die Eigenkapitalquote. Dies wiederum hat natürlich Auswirkungen auf die Solvenz und damit auf die Möglichkeiten der Finanzierung künftigen Wachstums bzw. die Refinanzierung eventuell bestehender Bankkredite.
Vor allem in den vergangenen Jahren ist das Thema Pensionsrückstellungen zu einem immer wichtigeren Posten der Bilanzanalyse geworden. Hintergrund dessen sind die sinkenden Zinssätze am Markt. Diese verursachen einen dramatischen Anstieg der Rückstellungen und gleichzeitigen Rückgang des Eigenkapitals. Selbst die gute Geschäftsentwicklung, die in den vergangenen Jahren vielen Fällen zu beobachten war, hat an den Auswirkungen der sinkenden Zinssätze auf die Eigenkapitalquoten oftmals nichts ändern können.
Was sind Pensionsrückstellungen?
Um als Arbeitgeber attraktiv für Arbeitnehmer zu sein, bestehen neben den normalen Gehaltszahlungen oftmals Vereinbarungen, einen zusätzlichen Beitrag für die Altersvorsorge des Arbeitnehmers zu leisten. Dabei wird ein bestimmter Teil des Gehalts nicht als Lohn ausgeschüttet, sondern als Sparrücklage beiseite gelegt.
Dabei gibt es zwei verschiedene Ausgestaltungen dieser Versorgungspläne. Der erste Fall sind sogenannte beitragsorientierte Versorgungspläne (Defined-Contribution-Pläne / DC-Pläne). Hierbei werden den Arbeitnehmern die Zahlungen direkt mit dem Lohn ausgeschüttet, gelangen aber nicht auf das Konto des Arbeitnehmers, sondern werden auf ein externes Spardepot geleistet. Dort kann der Arbeitnehmer frei entscheiden, wie das Geld angelegt wird. In der Regel werden dabei verschiedene Möglichkeiten, etwa in Form von Aktien- und Anleihefonds, zur Auswahl gestellt.
Bei DC-Plänen trägt der Arbeitnehmer das Risiko der Wertentwicklung der Anlagen, in welche seine Versorgungszahlungen fließen. Er muss sich also mit der Anlage auseinandersetzen und selbst entscheiden, welchen Chance-Risiko-Mix er eingehen will. Für das Unternehmen haben die Wertentwicklungen hingegen keine Auswirkungen. Die monatlichen Zahlungen an die Arbeitnehmer werden als Personalaufwand erfasst; eine Bilanzierung in der Unternehmensbilanz erfolgt nicht. Insofern stellen DC-Pläne aus der Analysesicht keine Problematik dar.
Die zweite Variante der Pensionsverpflichtungen sind leistungsorientierte Pensionspläne (Defined-Benefit-Pläne / DB-Pläne). Hier ist das Unternehmen für die Entwicklung verantwortlich. Den Arbeitnehmern werden auf Basis ihrer Arbeitsleistungen entsprechende Pensionszusagen gemacht, die sich über die Jahre der Betriebszugehörigkeit natürlich erhöhen. Sobald der Arbeitnehmer das Rentenalter erreicht, muss das Unternehmen die entsprechenden Versorgungsleistungen erbringen. Da das Unternehmen für die DB-Pläne verantwortlich ist, findet bei diesen auch ein Bilanzansatz statt, was entsprechende Fragestellungen und Probleme mit sich bringt.
Bilanzierung von DB-Plänen
Um die zukünftigen Verpflichtungen aus Pensionsplänen sachgerecht zu erfassen, werden auf der Passivseite der Bilanz entsprechende Rückstellungen gebildet. Natürlich kann man heute noch nicht wissen, wie hoch diese Verpflichtungen tatsächlich einmal sein werden, da diese ja abhängig von der Gehaltsentwicklung oder der Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter sind. Daher werden die Verpflichtungen versicherungsmathematisch ermittelt. Dabei werden die bereits erdienten Anwartschaften mit Faktoren wie den langfristigen Erwartungen für die Lohnentwicklung, Rentenentwicklung, Sterblichkeit etc. hochgerechnet. Dieser Wert wird mit einem entsprechenden Abzinsungssatz diskontiert, um den Barwert dieser Anwartschaften zu erhalten. Dieser versicherungsmathematische Barwert wird auch Defined-Benefit-Obligation / DBO genannt. Der DBO ist also derjenige Wert, den das Unternehmen unter bestimmten Prämissen in den kommenden Jahren an seine Mitarbeiter zu leisten hat.
Wie eingangs bereits erwähnt, kann dieser Betrag, gerade bei bereits sehr lange existierenden Unternehmen, leicht sehr hoch ansteigen. Aus diesem Grund werden von den Unternehmen entsprechende Vorkehrungen getroffen. Dies passiert durch den Aufbau eines für diese Pensionsverpflichtungen eigens eingerichteten Treuhandfonds (Planvermögen). In dieses Planvermögen zahlt das Unternehmen ein, um ein Vermögen aufzubauen und so die Leistungen aus den Pensionsverpflichtungen bedienen zu können. Dieses Treuhandvermögen wird von damit beauftragten Dritten verwaltet.
In der Bilanz werden die Verpflichtungen aus den Pensionen (DBO) mit diesem Treuhandvermögen verrechnet und netto ausgewiesen. Stehen also z.B. Pensionsrückstellungen in Höhe von 200 Mio. € in der Bilanz, bedeutet dies nicht, dass die Schuld genauso hoch ist. Vielmehr könnte die Pensionsschuld auch 250 Mio. € betragen, aber ein entsprechendes Treuhandvermögen in Höhe von 50 Mio. € entgegenstehen. Aufschluss darüber gibt der Anhang eines Geschäftsberichtes, in welchem die Zusammensetzung ausgewiesen werden muss.
Veränderungen der Annahmen
Da die Pensionsverpflichtungen versicherungsmathematisch ermittelt werden und bestimmten Annahmen unterliegen, kann es hierbei zu Veränderungen kommen. Während Faktoren wie der Gehaltstrend oder die Sterblichkeit eher selten Änderungen unterliegen, hat der Abzinsungssatz oft einen maßgeblichen Einfluss. Dieser wird häufig auf der Grundlage erstrangiger, festverzinslicher Industrieanleihen bestimmt. Angesichts des raschen Zinsverfalls der vergangenen Jahre ist auch die Verzinsung solcher Anleihen dramatisch zurückgegangen.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Abzinsung der Pensionsverpflichtungen nunmehr mit einem reduzierten Zinssatz erfolgt. Diskontiert man einen Betrag mit einem niedrigeren Prozentsatz, steigt der Barwert, und in diesem Fall der Barwert der Pensionsverpflichtung. Diskontiert man z.B. eine zukünftige Verpflichtung von 100 Mio. € in 10 Jahren mit 2%, erhält man einen Barwert von 82,0 (100/1,02^10). Diskontiert man dieselbe Verpflichtung mit nur 1%, ergibt sich ein deutlich höherer Barwert von 90,5 (100/1,01^10).
Unternehmen mussten diese Absenkung des Diskontierungssatzes also nun vornehmen. Die sich ergebende Differenz wird buchhalterisch zulasten des Eigenkapitals gebucht und verringert dieses entsprechend. Aus diesem Grund sanken 2014 in vielen Fällen das Eigenkapital und die Eigenkapitalquote in einem Ausmaß, das nicht durch die Gewinne kompensiert werden konnte. Die Solvenz der Unternehmen hat damit zum Teil gelitten.
Auswirkungen auf den Gewinn
Die angesprochenen Veränderungen der Pensionsrückstellungen durch die Senkung des Zinssatzes werden ergebnisneutral direkt in das Eigenkapital gebucht und belasten damit nicht den Gewinn des Unternehmens. Jedoch haben die Pensionsrückstellungen sehr wohl auch einen Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens, und zwar in Form des Dienstzeitaufwandes (Service Cost) und des Zinsanteils (Interest Cost).
Der Dienstzeitaufwand ist derjenige Betrag, der jährlich durch die erbrachten Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer an Pensionszusagen seitens des Unternehmens hinzukommt und die Pensionsrückstellungen dadurch erhöht. Dieser Aufwand wird als Personalaufwand gebucht und vermindert den Gewinn der Periode entsprechend.
Die Pensionsrückstellungen sind zudem verzinst. Die Pensionszusagen gelangen ja nicht sofort zur Auszahlung, sondern erst dann, wenn der Mitarbeiter das Rentenalter erreicht. Dadurch gewährt der Arbeitnehmer dem Unternehmen gewissermaßen einen Kredit, zum Teil über viele Jahre oder gar Jahrzehnte. Dafür erfolgt eine jährliche Verzinsung der Pensionszusage, welche ebenso einen Aufwand für das Unternehmen bedeutet. Ausgewiesen wird der Zinsanteil im Finanzergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung.
Damit wird auch sehr deutlich, dass Pensionsrückstellungen als zinstragende Verbindlichkeiten behandelt werden sollten, genauso wie Kredite oder Anleihen. Gerade bei der Betrachtung der Kapitalstruktur, also der Eigenkapitalquote und Verschuldungssituation eines Unternehmens, dürfen die Pensionsrückstellungen nicht vernachlässigt werden.
Auswirkungen auf den Cashflow
Auch der Cashflow wird durch die Pensionsrückstellungen belastet und zwar dann, wenn die Zahlungen an die Arbeitnehmer bzw. dann ehemaligen Arbeitnehmer erfolgen. In der Regel bezieht sich der Großteil der Verpflichtungen auf Zahlungen in ferner Zukunft, aber zum Teil, gerade bei etablierten Traditionsunternehmen, sind die bereits heute jährlich zu zahlenden Rentenleistungen nicht unerheblich.
In diesem Zusammenhang ist die Duration der Pensionsrückstellungen ein sehr wichtiger Faktor. Die Duration gibt die durchschnittliche Laufzeit der Pensionsrückstellungen in Jahren wider. Dementsprechend ist die Duration umso vorteilhafter, je länger sie ist. Je kürzer die durchschnittliche Laufzeit der Pensionsrückstellungen, desto schneller werden die Zahlungsverpflichtungen fällig, sodass es zu Abflüssen von liquiden Mitteln kommen muss. Insofern ist die Duration der Pensionsrückstellungen prinzipiell mit der Laufzeit von anderen Verbindlichkeiten zu vergleichen. Solange keine Fälligkeit besteht, stellen diese (noch) keine große Gefahr dar. Je kürzer die Laufzeit, desto gefährdeter ist die Liquidität, da die Auszahlungssummen immer weiter zunehmen.
Je kürzer die Duration der Pensionsverbindlichkeiten ist, desto höher sollte auch das den Pensionsverpflichtungen entgegenstehende Planvermögen sein, um die Verpflichtungen bedienen zu können. Je länger die Duration, etwa weil das Unternehmen noch sehr jung ist und großteils junge Mitarbeiter beschäftigt, desto niedriger kann auch das Planvermögen noch sein. Durch die Einzahlungen des Unternehmens und die verzinste Anlage des Planvermögens in Rendite generierende Wertpapiere sollte das Vermögen über die Zeit zunehmen und eine entsprechende Deckung der Pensionsrückstellungen erzeugen.
Fazit
Pensionsrückstellungen wird zuweilen eine deutlich zu niedrige Bedeutung in der Bilanz- und Unternehmensanalyse beigemessen. In Wahrheit sind die Auswirkungen dieser auf die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Cashflow-Rechnung jedoch nicht zu unterschätzen und bergen zudem hohe Risiken. Eine Vernachlässigung der Pensionsrückstellungen in der Unternehmensbewertung kann zu ernsthaften Fehleinschätzungen und falschen Ergebnissen führen, die das Risiko des Investments unangemessen erhöhen können. Nicht umsonst umfassen die Angaben zu Pensionsrückstellungen in den Anhängen der Geschäftsberichte börsennotierter Unternehmen in vielen Fällen die meisten Seiten. Auch wenn das Thema insgesamt sehr umfassend und komplex ist, sollte sich mit den Grundzügen und der Wirkungsweise auseinandergesetzt werden.