Artikel

Selbstüberschätzung (Overconfidence)

Laden Sie das gesamte Magazin der Alpha Star-Fonds herunter:

Der weltbekannte Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman bezeichnete die Selbstüberschätzung (engl. Overconfidence) als die Mutter aller psychologischen Wahrnehmungsverzerrungen, weil sie mutmaßlich die größte negative Auswirkung auf uns haben kann. Das gilt beim Investieren wie für andere Bereiche gleichermaßen. Während Selbstvertrauen sicherlich eine wichtige Eigenschaft ist, um voranzukommen und nicht paralysiert vor Entscheidungen zu sitzen, kann eine zu hohe Dosis Selbstvertrauen, die in Selbstüberschätzung mündet, sehr schädlich sein.

Was ist Selbstüberschätzung?

Ein großes Problem von Selbstüberschätzung ist, dass es dazu führt, dass die Rolle unseres eigenen Zutuns bei Erfolgen überhöht eingeschätzt wird. Wenn sich Dinge gut entwickeln, schreiben wir dieses gute Ergebnis unserem eigenen Können zu, ohne die Rolle von glücklichen Umständen oder anderen Einflüssen mit in Betracht zu ziehen. Umgekehrt ist es hingegen so, dass Menschen, die zu Selbstüberschätzung neigen, Misserfolge nicht sich selbst ankreiden, sondern externen Faktoren die Schuld zuweisen. Hier führt die Overconfidence zu einer Blindheit gegenüber der eigenen Fehlbarkeit. In beiden Fällen findet eine Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten statt, oftmals sogar dann, wenn offenkundig das eigene Zutun wenig mit dem erfolgreichen Ausgang zu tun hat oder ein negativer Ausgang maßgeblich durch das eigene Zutun beeinflusst ist.

Grundsätzlich haben wir Menschen die Tendenz, uns an positive Ereignisse stärker zu erinnern als an negative. Bei Menschen mit Hang zur Selbstüberschätzung ist diese Tendenz noch ausgeprägter, was dazu führt, dass aus Fehlern nicht gelernt wird, sondern, dass sie wiederholt werden. Selbstüberschätzung führt dazu, dass die Rückkopplungsschleife, die notwendig ist, um aus Fehlern zu lernen, nicht geschlossen wird.

Vor diesen Hintergründen ist Selbstüberschätzung auch beim Investieren nicht förderlich und verhindert nachhaltig gute Resultate. Anleger mit überhöhtem Selbstbewusstsein argumentieren häufig in Kategorien wie: „Ich denke, dass Aktie XY in den nächsten 12 Monaten um 100 % steigen wird.“ Dabei wird sich gerne auf weiche Faktoren bezogen, was bedeutet, dass Meinungen und Anekdoten ein stärkeres Gewicht bekommen als Fakten und objektive Daten. Kritische Fragen wie die Wahrscheinlichkeit des Erfolges eines bestimmten Produkts oder Ähnliches stehen nicht im Vordergrund. 

Selbstüberschätzung an der Börse 

Börsengänge (IPOs) sind ein anschauliches Beispiel, um die Wirkung von Selbstüberschätzung zu veranschaulichen. Statistiken zeigen klar und deutlich, dass man mit IPOs durchschnittlich keine guten Renditen erzielt. Der Hintergrund ist dabei vor allem, dass Börsengänge meist in Phasen stattfinden, in denen grundsätzlich eine gute Marktstimmung vorherrscht, also meist in der fortgeschrittenen Phase eines Konjunkturzyklus. Dann sind die erzielbaren Preisniveaus für die Alteigentümer attraktiv, und Anleger haben eine positive Grundstimmung hinsichtlich der Märkte oder sind sogar euphorisch und daher gewillt, Aktien von neuen Unternehmen zu zeichnen. Börsengänge erfolgen also tendenziell in der Spätphase eines Zyklus zu einem hohen Preis. Das senkt die Chancen auf gute Renditen drastisch, weil der Zyklus oft recht kurzfristig ein Ende findet und die Preisniveaus korrigieren. Der Umstand, dass IPOs meist keine guten Investments sind, hat also nicht einmal mit der Qualität der Unternehmen zu tun, die den Schritt an die Börse wagen.

Objektiv betrachtet, ist es daher nicht sinnvoll, sich als Investor an IPOs zu beteiligen. Attraktive Unternehmen, die neu an die Börse kommen, kauft man meist besser einige Zeit nach dem IPO, wenn sich die Preisniveaus normalisiert haben. Dennoch werden bei IPOs immer wieder erfolgreich Milliardenbeträge eingesammelt, weil Investoren in guten Börsenphasen ein höheres Gewicht auf die aktuelle Situation legen und die objektiven Fakten ausblenden. Für das Funktionieren der Kapitalmärkte ist dieses Handeln wichtig. Diejenigen Investoren, die Überrenditen erzielen möchten, sollten jedoch die objektiven Fakten in ihre Überlegungen einbeziehen.

Ein weiteres Beispiel, bei dem Selbstüberschätzung zum Tragen kommt, ist das Kaufen von zu teuren Aktien im Allgemeinen. Daten und Statistiken zeigen klar und deutlich, dass Aktien mit hohen Bewertungen durchschnittlich niedrigere Renditen erwirtschaften als günstiger bewertete Aktien. Dennoch neigen Anleger immer wieder dazu, Aktien zu überhöhten Bewertungen zu erwerben. Der Grund hierfür ist, dass die eigenen Fähigkeiten überhöht eingeschätzt werden. Wenngleich Anleger die hohe Bewertung erkennen, wird die Bedeutung dieser heruntergespielt, weil sich in dem speziellen Fall eingeredet wird, es besser zu wissen, etwa weil die gute Erwartung für die zukünftige Entwicklung die hohe Bewertung rechtfertigen würde.

Die subjektive Einschätzung wird den Fakten übergeordnet. Die Folge solcher Aktienkäufe aus einer Selbstüberschätzung heraus sind erwartbar schlechtere Ergebnisse, weil die Aktien zu teuer gekauft wurden und die Preisniveaus sich in der Regel anpassen. Das Fatale ist dann, dass das schlechte Ergebnis gerne externen Faktoren zugeschrieben wird, etwa einem Wechsel der Zinspolitik der Notenbanken. Die Selbstüberschätzung führt dazu, dass der Fehler, der zu dem schlechten Resultat geführt hat, nicht erkannt wird. Damit sind diese Anleger dafür anfällig, genau die gleichen Fehler immer wieder zu begehen. 

Gegenargumente suchen

Es ist jedoch bei Weitem nicht so, dass an der Börse nur Privatanleger Opfer ihrer Selbstüberschätzung sind. Vielmehr tappen Experten oder Profis noch häufiger in diese Falle. Der Hintergrund ist, dass sich Profis in der Regel viel intensiver mit Themen beschäftigen und sie daher aufgrund ihres Wissens ein Gefühl entwickeln, die Dinge noch besser einschätzen oder die Situation besser überblicken zu können. An den Finanzmärkten gilt das mehr als in anderen Bereichen. Fakt ist jedoch, dass auch Experten nicht besser wissen, wo der DAX in einem Jahr stehen oder die Inflation in drei Jahren liegen wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Münzwurf genauso akkurate Vorhersagen macht, wie vermeintliche Profis Börsenkurse voraussagen können. Warren Buffett hat einmal gesagt, dass uns getätigte Prognosen mehr über den Prognosegeber sagen als über die Realität von morgen.

Selbstüberschätzung betrifft uns alle und ist einer der größten Renditekiller überhaupt. Um dieser Falle zu entkommen, sollten wir in unsere Anlageentscheidung immer objektive Argumente einbeziehen und nicht Gefühlen, Tipps oder Trends folgen. Vor Investmententscheidungen sollten wir uns daher immer die Frage stellen, aus welchen Gründen unsere Einschätzung falsch sein könnte.

Eine Möglichkeit dabei ist es, nach Gegenargumenten zu suchen. Wenn wir euphorisch über etwas sind, etwa eine bestimmte Aktie, ist es eine Möglichkeit, eine Liste mit allen Pro-Argumenten für diese Aktie aufzustellen. Allein dabei merken wir vielleicht, dass einige der Pro-Argumente keine wirklichen Argumente sind, und können einige dieser direkt wieder entfernen. Für jedes verbliebene Pro-Argument sollte es dann unsere Aufgabe sein, ein Gegenargument zu suchen, sodass wir am Ende einen Gleichstand zwischen Pro- und Kontra-Argumenten haben. Diese Übung sorgt für einen Ausgleich der Sichtweise und schafft eine Balance, die uns dabei hilft, unsere Selbstüberschätzung zu erkennen und auszugleichen.

Laden Sie das gesamte Magazin der Alpha Star-Fonds herunter: