Forschungseinrichtungen spielen eine besondere Rolle als Kunden auf Nischenmärkten, da sie mit ihrer Arbeit oft die Grundlage für Innovationen und Spezialisierungen legen. Häufig entwickeln Forschungseinrichtungen neue Technologien, Verfahren oder Produkte, die eine Nische erst schaffen oder erheblich erweitern können. So finden sich beispielsweise Materialien, die speziell für die Luft- und Raumfahrt entwickelt wurden, später auch in anderen Nischenmärkten wie der Herstellung von High-End-Sportausrüstung oder medizinischen Implantaten und Prothesen wieder. Unternehmen, welche in der Vergangenheit mit den Entwicklern solcher Innovationen kooperiert haben, bauen häufig durch die Zusammenarbeit ein tiefes Know-how auf und verfügen über ein besseres Verständnis der spezifischen Anforderungen als potenzielle Konkurrenten, die in den Markt einsteigen wollen.
Neben den zahlreichen Vorteilen ergeben sich auf Nischenmärkten auch Herausforderungen für ihre Akteure. Zum einen existieren hohe Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter, da es eines hohen Grades an spezifischem Fachwissen und Kundenverständnis bedarf, um mit bestehenden Anbietern zu konkurrieren. Für bestehende Anbieter eröffnet sich die Herausforderung, dass ihre Zielgruppe oft klein und spezialisiert ist, was das Wachstumspotenzial einschränkt. Für Unternehmen, die in Nischen agieren, fallen zudem in der Regel höhere Forschungs- und Entwicklungskosten an, um spezialisierte Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können.
Das britische Unternehmen Judges Scientific plc schafft es mit seinem Geschäftsmodell gekonnt, die genannten Herausforderungen und Risiken zu umgehen und dabei von den Vorteilen zu profitieren. Judges Scientific hat sich auf den Erwerb und die Entwicklung von Unternehmen spezialisiert, die wissenschaftliche Instrumente produzieren. Die Hauptstrategie besteht also darin, profitabel arbeitende, etablierte Unternehmen mit einem soliden Ruf in ihrem jeweiligen Nischenmarkt zu akquirieren und weiterzuentwickeln. Anders als bei klassischen Akquisitionen behalten die Tochtergesellschaften einen hohen Grad an operativer Autonomie.
Inzwischen verfügt Judges Scientific über 23 Tochtergesellschaften, die jeweils einen eigenen Nischenmarkt bedienen. Dazu gehören Unternehmen wie Geotek, ein führender Hersteller von Equipment für Bodenproben und Untersuchungen, Fire Testing Technology, das sich auf Geräte zum Testen und Entwickeln von Brandsicherheitsmaßnahmen spezialisiert hat, oder Sirical Instruments, deren Messgeräte sehr genau die Reinheit von Metallen bestimmen können. Alle diese Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie sind führende Produzenten von wissenschaftlichen Maschinen und Messgeräten für Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Durch seine Akquisitionsstrategie schafft es Judges Scientific, sich auf diversen Nischenmärkten zu positionieren, indem es die Position eines jeweils führenden Unternehmens in die eigene Familie integriert, ohne sich diese Position vorher aufbauen zu müssen. Durch den hohen Grad an operativer Autonomie bleiben die in Nischenmärkten entscheidenden Kundenbeziehungen der akquirierten Unternehmen erhalten. Zudem kann Judges Scientific durch das Vorstoßen auf neue Nischen kontinuierlich wachsen, obwohl das Wachstumspotenzial der jeweiligen Nischen eingeschränkt ist. Außerdem stellen Investitionen in Forschung und Entwicklung der Tochterunternehmen vor dem Hintergrund des Mutterkonzerns kein so großes Existenzrisiko dar. Darüber hinaus entsteht durch Kundenbeziehungen zu den jeweiligen Forschungsinstituten das Potenzial für Synergieeffekte. Zusammenfassend zeigt Judges Scientific, wie durch die gezielte Akquisition führender Nischenunternehmen, die Wahrung ihrer Autonomie und das strategische Vorstoßen in neue Märkte nachhaltiges Wachstum und eine starke Position in spezialisierten Branchen erreicht werden können.