Die Georg-August-Universität Göttingen ist die größte Universität Niedersachsens. Sie verfügt über eine beeindruckende Raumfläche von etwa 1.000.000 Quadratmetern, die sich auf zahlreiche Gebäude und Fakultäten verteilt. Es ist leicht vorstellbar, dass die Zuordnung der Räume und deren Verwaltung eine gewaltige Herausforderung darstellt. Um diese immense Fläche effizient zu bewirtschaften, setzt die Universität ein Computer-Aided Facility Management (CAFM)-System ein.
Bei diesem System handelt es sich um eine sogenannte „Mission-Critical-Software“. Als „Mission-Critical-Software“ werden Softwaresysteme bezeichnet, deren einwandfreie Funktion für den Betrieb eines Unternehmens oder einer Organisation essenziell ist und deren Ausfall oder eine Störung erhebliche finanzielle Verluste, Produktionsstillstände oder sogar sicherheitskritische Folgen nach sich ziehen kann. Im Falle des genannten Beispiels würde das bedeuten, dass die rund 27.000 Studierenden, die in mehr als 210 Studiengängen eingeschrieben sind, in ihrem Studienalltag erheblich beeinträchtigt wären.
Dieses Beispiel zeigt auch, wie tief solche Softwaresysteme in die Betriebsabläufe integriert sind. Eine Umstellung auf ein anderes System wäre nur mit erheblichem Aufwand und hohen Ausfallrisiken möglich. Durch eine solche Situation entsteht eine hohe Abhängigkeit vom Anbieter der Software. Auf Seiten des Anbieters wiederum ergeben sich hohe wiederkehrende Umsätze und folglich eine verbesserte Planbarkeit aufgrund konstanter Einnahmen.
Dennoch sind die Wachstumschancen von Unternehmen, die solche Softwarelösungen anbieten, begrenzt, da diese meist hoch spezialisiert auf ein Unternehmen, eine Organisation oder eine bestimmte Marktnische sind. Zwar schafft dies hohe Markteintrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten, beschränkt jedoch auch das Wachstumspotenzial des jeweiligen Marktes. In solchen sogenannten Nischenmärkten hebt sich häufig ein Unternehmen ab, das eine monopolartige Stellung einnimmt. Je enger der jeweilige Nischenmarkt definiert ist, desto stabiler ist die Position des jeweiligen Marktführers.
Dass ein hohes Wachstum dennoch mit größtenteils gesättigten Nischenmärkten realisiert werden kann, zeigt das deutsche Unternehmen Chapters Group. Dabei handelt es sich um einen sogenannten „Serial Acquirer“ – ein Unternehmen, das systematisch andere Unternehmen übernimmt oder hohe Anteile an diesen erwirbt. Dabei hat sich die Chapters Group auf Unternehmen spezialisiert, die Mission-Critical-Software entwickeln. Vor 25 Jahren als Software-Startup in der Nähe von Frankfurt gegründet, konzentrierte sich das Unternehmen ursprünglich darauf, den Beschaffungsprozess in deutschen Krankenhäusern zu optimieren. Seit dem Verkauf dieses ursprünglichen Kerngeschäftes im Jahr 2018 hat die Chapter Group vier Plattformen gegründet und in eine fünfte investiert.
Heute ist die Chapters Group mit Hauptsitz in Hamburg weiter auf Expansionskurs. Im Jahr 2023 hat sich das Unternehmen offiziell auf Vertical Market Software fokussiert und dabei mehrere Beteiligungen an Softwareanbietern aufgebaut, die sich durch hohe Kundenbindung und beständige Einnahmeströme auszeichnen. Kennzeichnend für diese Branchen sind häufig Nischenmärkte, in denen einzelne Anbieter aufgrund ihrer Spezialisierung eine marktführende Stellung einnehmen.
Um eine höhere Schlagzahl von Übernahmen zu ermöglichen, setzt die Chapters Group auf einen Plattform-Ansatz. Die Gesellschaft bündelt mehrere Tochterunternehmen unter derzeit sechs Plattformen, in denen spezialisierte Managementteams jeweils rund 20 Prozent Eigenkapital halten. Diese dezentrale Struktur sorgt dafür, dass die Verantwortlichen auf Plattformebene gezielt nach geeigneten Akquisitionen suchen und gleichzeitig ein starkes Eigeninteresse am Wachstum haben. In den vergangenen Jahren hat sich die Chapters Group so nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Tschechien engagiert.
Dank der Fokussierung auf Mission-Critical-Software erzielen die übernommenen Unternehmen in der Regel eine solide Profitabilität. Organisch wachsen diese Beteiligungen oft mit 15 bis 20 Prozent pro Jahr, wobei EBITDA-Margen von über 25 Prozent keine Seltenheit sind. Durch den Einsatz von Fremdkapital kann die Chapters Group ihre Gewinne zu mehr als 100 Prozent reinvestieren. Gleichzeitig liegen die Einkaufsmultiplikatoren beim Erwerb kleiner Nischenplayer häufig im Bereich des 6- bis 7-fachen EBIT, also des operativen Gewinns vor Abzug von Zinsen und Steuern, was langfristig für hohe Renditen sorgt.
Die Chapters Group verdeutlicht, dass sich selbst in weitgehend gesättigten Nischenmärkten beachtliches Wachstum erzielen lässt, wenn die Akquisitionen konsequent auf hochprofitable Softwareunternehmen mit stabilen Kundenbeziehungen ausgerichtet sind. Die Fokussierung auf Mission-Critical-Software schützt das Unternehmen vor hohen Wettbewerbsrisiken, da die Kunden nur mit erheblichem Aufwand auf andere Anbieter umsteigen könnten. Gleichzeitig eröffnen die wiederkehrenden Umsätze und die finanzielle Stabilität dieser Geschäftsmodelle attraktive Investitionsmöglichkeiten, die das Wachstum weiter antreiben. Dies zeigt, dass selbst in engen Marktsegmenten noch erhebliches Potenzial bestehen kann – vorausgesetzt, man setzt auf die richtigen Geschäftsmodelle und eine disziplinierte Akquisitionsstrategie.