Seit mehreren Jahren kennen die Börsen nunmehr nur die Richtung nach oben. Wenngleich gewiss ist, dass wir irgendwann einmal in eine Korrekturphase kommen werden, ist es keinesfalls absehbar, ob dies in diesem Jahr, erst in 5 Jahren oder noch später der Fall sein wird. Dennoch ist es aus einer emotionalen Sichtweise heraus nachvollziehbar, dass die Nervosität der Anleger steigt.
Auch wenn der emotionale Drang groß ist, mit vermeintlich zunehmender Reife des Börsenzyklus sein Depot ganz oder teilweise zu liquidieren, ist es ratsam, sich auf den eigentlichen Zweck der Investments zu besinnen. Ziel einer wertorientierten Geldanlage ist es, in sehr gute Unternehmen zu investieren und langfristig von deren Potenzial zu profitieren.
Sehr gute Unternehmen bleiben auch in einer Korrekturphase sehr gute Unternehmen und ein langfristiger Investmentansatz erhöht nicht nur Ihre Chance, das volle Entwicklungspotenzial eines Unternehmens auszuschöpfen, sondern löst Ihnen vor allem das Problem der zeitlichen Abschätzung von Ein- und Ausstiegspunkten (Timing). In Summe ist ein langfristiges Investment in Qualitätsunternehmen der Schlüssel zum Erfolg. Dies ist nicht zuletzt einer der Kernphilosophien von Starinvestor Warren Buffett:
“Unsere liebste Haltedauer ist unendlich. Wenn du dich nicht wohl damit fühlst eine Aktie 10 Jahre lang zu halten, dann solltest du sie auch nicht für 10 Minuten besitzen.”
-Warren Buffett
Wenn in Ihnen also ein Gefühl der Unruhe oder der emotionale Drang aufkommt, ihre Aktien verkaufen zu müssen, dann prüfen Sie zunächst die folgende Liste nach harten Fakten, die für den Verkauf sprechen. Oder Sie bemerken, dass Sie nur einem affektiven Impuls aufgesessen sind. Beginnen wir mit den Gründen, warum Sie eine Aktie auf keinen Fall verkaufen sollten:
1. Der Kurs der Aktie hat sich seit Kauf vervielfacht.
Die historische Kursentwicklung kann objektiv betrachtet kein Indikator für die zukünftige Entwicklung eines Aktienkurses sein. Vielmehr hängt diese von der Entwicklung von Umsatz und Ertrag ab. Nur unsere Emotionen bringen uns zum Glauben, dass der gesteigerte Kurs die Gefahr einer Korrektur birgt. Aber der Aktie ist es egal, was der Kurs in der Zeit zuvor gemacht hat. Allerdings kann ein gesteigerter Kurs auch die Bewertung der Aktie erhöht haben. Das ist ein anderer Umstand, der sehr wohl Relevanz hat (Siehe Punkt 8).
2. Der Kurs der Aktie ist in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen.
Menschen schätzen kurzfristige Gewinne sehr und lassen dabei oft die langfristigen Chancen außer Acht. Vielen wären bspw. 1.000 € heute lieber, als 1.300 € in einem Jahr. Ein kurzfristiger Kursanstieg ist, wie bei Punkt 1, kein Indikator dafür, wie ein Unternehmen bewertet ist und schon gar nicht dafür, welche Bewegung der Aktienkurs in der Zukunft erfährt. Doch diese Weitsicht allein ist entscheidend. Auch hier sei auf Punkt 8 verwiesen, welcher die passende, tatsächlich zu stellende Frage adressiert.
3. Ich glaube der Aktienkurs wird fallen und steige tiefer wieder ein.
Das Prinzip Hoffnung ist an der Börse selten ein guter Ratgeber und die Erfahrung zeigt ganz klar, dass Versuche den Markt zu antizipieren auf reinem Glück basieren und nicht in einen dauerhaft funktionierenden Prozess überführt werden können. Der Versuch, solche Schwankungen zu handeln, wird sich schon allein daher relativieren, da Sie Ein- und Ausstiegspunkte wahrscheinlich nicht perfekt treffen können. Darüber hinaus erfahren Sie höhere Steuern, Transaktionsgebühren, zusätzlichen Aufwand und eine gewisse Nervenbelastung. Der einfache Weg ist manchmal der bessere.
4. Ich möchte Gewinne sichern, bevor die Kurse fallen.
Auch hier spielt uns die Emotionalität einen Streich. Sie wissen heute nicht, ob Sie zu früh oder zu spät aussteigen, da Sie nicht wissen was die Börsen in Zukunft tun werden. Es wäre nicht sinnvoll, Gewinne zu sichern, wenn der Kurs in Folge weiter steigt. Sie würden sich auch ärgern, wenn Sie in einem guten Unternehmen stark investiert waren, dem in den kommenden Jahren eine gute Entwicklung bevorsteht.
Die Profi-Sichtweise: Sollte der Kurs tatsächlich fallen, macht Ihnen der Markt das Geschenk, von einem guten Unternehmen Anteile günstiger hinzukaufen zu können.
Auch wenn Sie grundsätzlich einen sehr langfristigen Anlagehorizont anstreben, entstehen natürlich Situationen, in welchen eine ursprünglich getroffene Entscheidung überdacht und korrigiert werden sollte. Diese Fälle werden durch die folgenden Punkte abgedeckt:
5. Die Gründe, warum Sie die Aktie gekauft haben, stellen sich als falsch heraus.
Auch wenn es natürlich das Bestreben ist, keine Fehler bei der Aktienauswahl zu begehen, wird es immer wieder Fälle geben, in denen man sich punktuell geirrt hat. Das Investieren in Aktien beinhaltet Entscheidungen auf Basis nicht vollständiger Informationen. Es können stets neue Informationen aufkommen, die vorher nicht bekannt waren. Umso wichtiger ist es, bei Aktieninvestments immer auf dem neusten Stand zu sein – nicht den Aktienkurs betreffend, sondern das Unternehmen betreffend. Treten also neue, zu den bisherigen Gründen konträre Informationen auf, sollte ein Verkauf in Betracht gezogen werden.
6. Die fundamentalen Daten des Unternehmens haben sich verändert.
Es gibt Fälle, in denen sich Unternehmen nicht in der Form, wie man dies ursprünglich einmal erwartet hatte, entwickeln. Solche Effekte können eine Beeinflussung ausüben, welche die fundamentale Situation eines Unternehmens verändern. Sind die ursprünglichen Ziele dann nicht mehr erreichbar oder die Risikosituation verschiebt sich zu Ihren Ungunsten, sollte ebenfalls ein Verkauf vorgenommen werden.
7. Sie finden eine bessere Opportunität.
Sollten Sie auf eine Aktie stoßen, deren langfristiges Potenzial höher ist als das einer aktuellen Position, ist natürlich die Möglichkeit eines Tauschs gegeben. Aber Vorsicht! Fragen Sie sich selbst, ob die neue Opportunität tatsächlich eine langfristig bessere Entscheidung ist oder eventuell nur ein Drang nach kurzfristigen Kursgewinnen dahintersteckt.
Alle 7 Punkte vereinen sich in einer Frage, die klärt, ob eine Aktie verkauft werden sollte oder nicht:
8. Ist Aktie überbewertet?
Das Einzige, was Sie wirklich zu einem Verkauf eines guten Unternehmens bringen sollte, ist eine zu teure Bewertung. Es nützt Ihnen das beste Unternehmen nichts, wenn Sie dafür einen viel zu hohen Preis bezahlen. Der Hintergrund ist, dass sich die Preise früher oder später normalisieren werden, also Aktienkurse fallen. Wenn es soweit ist, sind hohe Bewertungen ein Risiko, da diese wieder auf “Normalniveau” fallen werden.
Mit Aktien verhält es sich dabei genauso wie bei allen anderen Wirtschaftsgütern. Stellen Sie sich vor, aufgrund eines sehr heißen Sommers steigt die Nachfrage nach Ventilatoren so stark an, das die Preise von 100 € auf 500 € steigen und vielleicht über den Sommer hinweg sogar auf 1.000 € klettern. Irgendwann ist eine Schmerzgrenze erreicht, in der Ventilatoren im Vergleich zum hohen Preis keinen Nutzen mehr stiften. Menschen würden nach Alternativen suchen und steigen z. B. auf Eisbäder um, um sich abzukühlen. Die Nachfrage und damit die Preise für Ventilatoren würden drastisch sinken. Die Blase platzt. Wohl dem, der frühzeitig die hohen Bewertungsniveaus der Ventilatorenhersteller gemieden und in Poolhersteller investiert hat.
Bitte beachten Sie den Unterschied zwischen den Punkten oben, die die Kurse auf Basis der vergangenheitsbezogenen Daten versuchen zu antizipieren und dem vorstehenden Punkt, der den fundamentalen Aspekt der Bewertung mit einbezieht, aber keine Prognose über die zukünftige Kursentwicklung tätigt. Es wird lediglich auf die Risikoverschiebung im Zuge der Bewertungsausweitung geschaut und diese adjustiert. Dieser Unterschied ist signifikant und steht für die Trennung zwischen Spekulieren und Investieren – und damit auch in vielen Fällen zwischen langfristigem Erfolg und Misserfolg.
Fazit
Es gibt Dinge, die wir kontrollieren können und Dinge, die wir nicht in der Hand haben. Börsenkurse gehören nicht in unseren Kontrollbereich, weshalb es wenig Sinn stiftet, zu versuchen, diese zu prognostizieren. Schwankungen der Kurse müssen wir als gegeben akzeptieren. Aber wir können beeinflussen, was für Unternehmen wir im Depot halten und können die Wahrscheinlichkeiten beeinflussen mit der wir Unternehmen im Depot halten, die eine aussichtsreiche Zukunft vor sich haben.
Wir können auch das Bewertungsrisiko beeinflussen. Wir können berechnen, wie hoch eine Aktie bewertet ist und können die Entscheidung treffen, ob wir investiert sein wollen oder nicht. Das ist es, worauf wir uns konzentrieren sollten. Entgegengesetzt sollten wir versuchen, den emotionalen Einfluss unseres Gehirns weitgehend zu kontrollieren, da hieraus nicht unbedingt die langfristig besten Entscheidungen hervorgehen.