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Warum Aktienkurse bei niedrigen Zinsen steigen

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Nachdem die Börsen vor allem im vierten Quartal des vergangenen Jahres deutlich nachgeben hatten, ging es Anfang des Jahres 2019 nahezu genauso schnell wieder nach oben. Der wohl wesentliche Grund für diese extreme Bewegung dürfte gewesen sein, dass im Jahresverlauf 2018 gemeinhin erwartet wurde, dass die Zinsen auf Sicht steigen würden. Vor allem für die USA wurde dies antizipiert. Im Januar 2019 ist dann deutlich geworden, dass die Zinsen weder in den USA, als auch in Europa, vorerst nicht weiter steigen werden.

Diese Veränderung in der Erwartungshaltung der Zinsen hat den Aktienmarkt wieder „auf die Spur“ gebracht, mit dem Effekt, dass die Kursniveaus in vielen Fällen wieder an ihre bisherigen Höchststände herangelaufen sind. Während über mehrere Jahre hinweg gemeinhin davon ausgegangen worden ist, dass die Zinsen wieder steigen werden, wird nun immer mehr Anlegern klar, dass uns das Phänomen der Niedrigzinsen noch viele weitere Jahre begleiten wird. Wir dürften dabei nicht vergessen, dass wir uns seit nunmehr über 10 Jahren in dieser Situation befinden. Es werden wohl noch einige Jahre mehr werden.

Japan als Blaupause?

Die wichtige Frage, die sich für uns daraus stellt, ist die nach der Auswirkung auf die Aktienmärkte für die kommenden Jahre. Ein interessanter Vergleich, aus dem wir eventuell lernen können, ist der japanische Markt. In Japan sind Niedrigzinsen seit inzwischen Jahrzehnten Normalität. Die wohl wichtigste Auswirkung für uns als Aktionäre ist, dass der japanische Aktienmarkt im internationalen Vergleich deutlich teurer bewertet ist. Das heißt, Aktien werden höhere Gewinn-Multiplikatoren zugestanden als in Europa oder in den USA.

Seit den 80er Jahren liegt das Verhältnis von Börsenwert und Gewinnen (Kurs-Gewinn-Verhältnis) in Japan konstant oberhalb einer Schwelle von 20. Zum Vergleich, in Europa und den USA liegt der durchschnittliche Wert der vergangenen Jahrzehnte bei ca. 15, also rund 25% niedriger. Japanische Aktien werden also um ein Viertel höher bewertet als z.B. deutsche Aktien. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, dass japanische Unternehmen schneller wachsen würden als deutsche Unternehmen oder eine höhere Rentabilität aufweisen. Der Grund liegt in den Niedrigzinsen.

Die Zinsen werden niedrig bleiben

Schon seit Jahren ächzen Anleiheinvestoren unter den niedrigen Zinsen. Inzwischen gibt es immer weniger Anleihen, die eine angemessene Verzinsung abwerfen. Zum Teil zahlen Investoren sogar drauf. Erst jüngst emittierte der deutsche Staat eine Anleihe mit Negativverzinsung. Auch Spareinlagen privater Anleger werfen keine Zinsen mehr ab und lassen das Real-Vermögen der Deutschen Jahr für Jahr erodieren.

Wir haben also einen Zustand, in dem nur noch wenige Anlageklassen überhaupt eine Rendite generieren, die dazu geeignet ist, Kosten und Inflation auszugleichen. Über einige Jahre waren Immobilien eine beliebte Alternative. Auch hier sind die Preisniveaus jedoch inzwischen soweit angestiegen, dass nach Kosten und Steuern maximal eine niedrige einstellige Rendite zu erwarten ist.

Dieser Umstand wird das Umdenken von Investoren intensivieren. Wenn Aktien als Geldanlage in den vergangenen Jahren bereits als alternativlos beschrieben wurden, gilt dies mit zunehmender Zeitdauer immer mehr. Während die Hoffnung auf einen steigenden Zins in den letzten Jahren noch flackerte, dürften mehr und mehr Investoren nach den jüngsten Notenbankaussagen nun erkennen, dass auch dieser Hoffnungsschimmer inzwischen erloschen ist.

Die Bewertungen werden steigen

Nehmen wir einmal an, dass die durchschnittliche Renditeerwartung von Aktieninvestoren in den vergangenen Jahren bei 8% lag. Das entspricht ungefähr der Rendite, die der DAX in den vergangenen Jahrzehnten im Schnitt erzielt hat.

Ein Unternehmen, das 8% Rendite erwirtschaftet, müsste bei einem Börsenwert von 100 € ca. einen Gewinn von 8 € erwirtschaften. Daraus würde sich eine Relation von Börsenkurs und Gewinn von 12,5 ergeben (Kurs-Gewinn-Verhältnis = KGV = 100 € Börsenwert / 8 € Gewinn = 12,5). Der Kehrwert des KGV entspricht der impliziten Verzinsung der Aktie und damit der durchschnittlichen Renditeerwartung an die Aktie (1/12,5 = 8% = implizierte Rendite).

Wenn nun immer mehr Investoren auf den Aktienmarkt drängen, wirken die klassischen Kräfte von Angebot und Nachfrage. Wenn die Renditeerwartung zuvor bei 8% lag, könnte es zum Beispiel dazu kommen, dass die Renditeerwartung für Aktien im Durchschnitt auf 6% gedrückt wird. Im Umkehrschluss würde das KGV auf 16,7 steigen (1/6%). Bei sonst gleichbleibender Gewinnsituation, also bei unverändert 8 € Gewinn, würde die Aktie nicht mehr bei 100 € notieren, sondern nun bei 133 €, ohne dass sich etwas an der Gewinnsituation ändert (16,7 * 8 € = 133 €).

Je geringer die Renditeerwartung von Anlegern an Aktien wird, desto höher können natürlich die Bewertungen steigen. Sollten sich Anleger zukünftig anstatt mit 8% nur noch mit 4% zufriedengeben, würde der faire Wert unserer Beispielaktie sogar anstatt bei 100 € bei 200 € liegen, ohne dass sich etwas am Gewinn verändert. Das faire KGV läge dann bei 25, ebenfalls doppelt so hoch wie im Ausgangsbeispiel. Das Beispiel soll verdeutlichen, dass das Zinsniveau und die Renditeforderungen einen enormen Einfluss auf die Aktienmärkte haben können.

Eine ähnliche Entwicklung haben wir in den vergangenen Jahren bereits am Immobilienmarkt gesehen. Die hohe Nachfrage nach Betongold hat die Renditeansprüche gesenkt und die Preisniveaus nach oben getrieben.

Was heißt das für uns als Aktienanleger?

Wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es auch am Aktienmarkt in Zukunft schwieriger werden wird, hohe Renditen zu erzielen. Die Renditeerwartungen werden im Zuge einer wachsenden Anlegernachfrage gedrückt. Gleichzeitig werden die Bewertungen hoch bleiben und wahrscheinlich sogar noch weiter steigen. Es lässt sich damit auch als Anleger immer schwerer einschätzen, ob eine Aktie günstig oder zu hoch bewertet ist. Die Grenzen verschwimmen, und bisher bekannte Relationen verschieben sich.

Höhere Bewertungen in Form von höheren Gewinnmultiplikatoren werden das neue „Normal“ sein. Auch Starinvestor Warren Buffett hat jüngst darauf hingewiesen, dass Aktien bei diesem nachhaltig niedrigen Zinsniveau viel zu günstig bewertet sind. Jedoch bergen höhere Bewertungen auch erhöhte Risiken, für den Fall, dass die Gewinne einmal sinken werden. Dann eröffnet sich nämlich ein potenzielles Rückschlagrisiko für den Aktienmarkt insgesamt.

Vor diesem Hintergrund gibt es aus unserer Sicht eine ganz klare strategische Konsequenz: Qualität ist entscheidend. Während es in den vergangenen Jahren noch möglich war, gute Renditen mit guten Unternehmen zu erzielen, die günstig bewertet waren, ist das immer seltener eine Option. Die Verfügbarkeit schwindet. Um zukünftig überdurchschnittliche Renditen erzielen zu können, ist „gut“ nicht mehr ausreichend. Es muss auf Unternehmen gesetzt werden, die exzellent sind. Dazu gehört, dass die Unternehmen in zukunftsträchtigen Branchen aktiv sind und daher das Potenzial haben, konjunkturunabhängig zu wachsen sowie die Gewinne überdurchschnittlich zu steigern. Die Verzinsung des Unternehmenskapitals muss dabei weit über dem Durchschnitt liegen.

Das klingt anspruchsvoll und erfordert möglicherweise weitere Veränderungen der portfolio-strategischen Denkweise. Zum einen gibt es weniger exzellente Unternehmen als gute oder sehr gute Unternehmen. Man muss damit in Erwägung ziehen, die Streuung innerhalb eines Portfolios zu reduzieren. Also weniger exzellente Unternehmen gegenüber mehreren guten oder sehr guten Unternehmen bisher.

Zum anderen muss man das Thema Bewertung neu definieren. Bisherige Maßstäbe zur Orientierung anhand der klassischen Gewinnmultiplikatoren könnten verschwimmen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist das Thema Kapitalrendite. Ungeachtet sich verändernder Bewertungsmaßstäbe bleibt die Aussagekraft der Rentabilität eines Unternehmens unverändert. Wie viel Geld ein Unternehmen mit dem dafür eingesetzten Kapital erwirtschaftet, rückt damit in seiner Bedeutung nochmals weiter nach vorne, als es ohnehin schon immer war.

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