Dividenden wurden über eine lange Zeit hinweg von einer breiten Anlegermasse als nicht besonders wichtig oder sogar notwendig erachtet. Im Umfeld des Niedrigwachstums und der niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre ist das Thema Dividende jedoch wieder wichtiger geworden. Viele Anleger betrachten Dividenden heute als Ersatz für Zinsen, die sie sonst über Anleihen oder Geldmarktprodukte erhalten haben. Wenngleich dieser Ansatz inhaltlich nicht ganz korrekt ist, da beide Anlageklassen sicherlich hinsichtlich ihrer Rendite-Risiko-Struktur nicht in einen Topf geworfen werden sollten, ist der Gedanke nachvollziehbar.
Wir halten diesen Gedanken deshalb für keine schlechte Alternative, weil in Zinsprodukten angelegtes Geld so zunehmend in Aktien umgeschichtet wird. Angesichts der Tatsache, dass der Aktienanteil in Deutschland ohnehin viel zu niedrig ist, sollte ein größerer Kapitalanteil in höher rentierliche Anlagen wie Aktien für viele Anleger vorteilhaft sein.
Vorzüge von Dividendenaktien
Investitionen in Unternehmen, die Dividenden ausschütten, sind aber auch abseits der Motivation des Zinsersatzes eine sinnvolle Angelegenheit. Dies ist schon deshalb der Fall, da Dividendenzahlungen allein bereits viel über ein Unternehmen aussagen können.
Wenn ein Unternehmen beispielsweise seit 10 Jahren kontinuierlich steigende Dividenden aufweist, kann man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich nicht um ein schlechtes Unternehmen handelt. Vielmehr muss ein solches Unternehmen ein Geschäft betreiben, welches die steigenden Ausschüttungen finanziell auch zulässt. Das heißt also, dass es so viel Cash aus dem operativen Geschäft heraus erwirtschaften muss, dass sowohl Investitionen als auch eventuelle Fremdkapitalgeber bedient werden können und danach immer noch ausreichend verbleibt, um den Aktionären eine Ausschüttung zu ermöglichen.
Oftmals ist es vor dem genannten Hintergrund so, dass dividendenstarke Unternehmen auch bilanziell gut ausgestattet sind, mit vergleichsweise hohen Eigenkapitalquoten, einer niedrigen Verschuldung und einer guten Cash-Position. Zudem sind dividendenstarke Unternehmen oft sehr gut in ihrer jeweiligen Branche positioniert und zeichnen sich durch Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale aus. Dadurch schaffen sie es, hohe Cashflows zu erwirtschaften, welche wiederum an die Aktionäre ausgeschüttet werden können.
Darüber hinaus haben Dividenden auch übertragen auf einen Portfoliokontext eine begünstigende Wirkung. Das Resultat von Dividenden sind verlässlichere Renditen und eine reduzierte Volatilität. Der Grund hierfür ist neben den oben bereits erwähnten qualitativen Aspekten der ausschüttenden Unternehmen, dass Dividenden als Puffer gegen Kursverluste wirken. Diese Pufferwirkung ist nicht zu vernachlässigen und kann gerade über einen langen Investitionszeitraum hinweg eine entscheidende Funktion einnehmen.
Jüngste Erkenntnisse zu Dividendenausschüttungen
In dem im Financial Analysts Journal® erschienenen Artikel „What Difference Do Dividends Make?“ haben die Autoren C. Mitchell Conover, CFA, CIMP, Gerald R. Jensen, CFA und Marc W. Simpson, CFA eine Untersuchung angestellt, bei welcher untersucht wurde, welchen Effekt Aktien mit hohen Dividendenausschüttungen auf Portfolios haben. Dabei wurden Daten von 1962 bis 2014 ausgewertet.
Die Ergebnisse waren unter anderem:
- Portfolios aus Aktien mit hohen Dividenden weisen das geringste Risiko aus und erzielen dennoch 1,5% mehr Rendite pro Jahr.
- Gerade bei Small- und Midcap-Portfolios hat die Hinzunahme von Dividendentiteln einen sehr positiven Effekt, mit einer monatlichen Werterhöhung um 0,26% bzw. 0,43%.
- Vor allem bei Wachstumstiteln sind Dividenden gemäß der Studie ein wichtiger Faktor. Wird ein Portfolio aus Wachstumsaktien von Null Dividende auf hohe Dividenden umgestellt, vervielfacht sich die monatliche Rendite von 0,18% auf 0,78%. Dies ist die deutlichste Erkenntnis der Studie.
Das vielfach angebrachte Argument, dass Wachstumstitel in ihr Geschäft reinvestieren sollten, um das Wachstum konstant hoch zu halten, stimmt demnach nicht zwangsläufig. Zwar ist es durchaus korrekt, dass es für ein Unternehmen wertschöpfend ist, wenn es zu einer hohen Kapitalrendite die erwirtschafteten Beträge reinvestieren kann, jedoch erhöhen Wachstumsinvestitionen auch immer das Risiko, dass eine Investition einmal nicht aufgeht.
Vielmehr ist anzunehmen, dass Investoren Wachstumstiteln, insofern sie eine Dividende zahlen, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit einräumen und ihnen damit eine höhere Bewertung beimessen. Scheinbar schätzen Investoren Sicherheit mehr als die Chance auf eine weitere (unsichere) Werterhöhung. Der Gedanke ist logisch, denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen sein Wachstumstempo auf ewig aufrecht erhalten kann. Irgendwann werden die Wachstumsraten sinken. Spätestens dann werden Dividenden immer wichtiger. Dieses Wachstumsrisiko antizipieren Investoren und messen den Dividenden daher schon heute eine höhere Wichtigkeit bei.
Das ist auch für Unternehmen eine wichtige Erkenntnis. Vielfach haben Wachstumsunternehmen das Argument der Umsatzsteigerung genutzt, um sich gegen Dividenden auszusprechen. Vor den genannten Hintergründen ist es aber eventuell auch für Wachstumsunternehmen sinnvoll, Dividenden zumindest in symbolischen Größenordnungen auszuschütten. Das signalisiert nicht nur eine aktionärsfreundliche Ausschüttungspolitik, sondern sollte auch zu einer höheren Bewertung der Aktien führen. Dies wiederum sollte Kapitalmaßnahmen erleichtern, wenn denn zusätzliches Kapital zur Wahrnehmung weiterer Wachstumschancen benötigt werden sollte.
Implikationen für das Anlageverhalten
Vor diesem Hintergrund betrachtet sind in einem Portfolio auch Überlegungen zur Renditeoptimierung anzustellen. Wachstumsunternehmen sind in der Regel mit höheren Risiken versehen als substanzstarke Value-Aktien. Unternehmen, die in neuen Technologiebereichen aktiv sind, weisen oftmals hohe Chancen auf, aber nur die wenigsten Unternehmen werden auch tatsächlich erfolgreich. Wenn wir heute auf Unternehmen wie Microsoft, Apple oder Amazon blicken, muss uns bewusst sein, dass man mit diesen Aktien zwar viel Rendite erzielt hätte, jedoch im gleichen Zeitraum tausende andere Unternehmen mit ähnlichen Ideen oder anderen neuen Ansätzen nicht überlebt haben. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass tausende Investoren nicht von der hervorragenden Entwicklung der drei genannten Aktien profitiert, sondern ihr Geld im Zweifel in Unternehmen verloren haben, die den Durchbruch nicht geschafft haben.
Wachstumsaktien, die aber eine Dividende ausschütten, sind in der unternehmerischen Entwicklung schon etwas weiter vorangeschritten. Sie bewegen sich zwar in einem dynamischen Marktumfeld, weisen aber ein besseres Rendite-RisikoVerhältnis auf, da ihr Reifegrad schon fortgeschritten ist. Insofern muss man also aus Risikogesichtspunkten überlegen, ob es für die eigene Anlagestrategie nicht besser ist, auf etwas reifere Titel zu setzen, die schon einen Schritt weiter sind als die meisten anderen Wachstumsunternehmen. Natürlich bleibt immer die Alternative in „klassische“ Dividendentitel zu investieren, die meist nicht in Wachstumsbranchen engagiert, sondern eher in gesättigten Branchen aktiv sind. Hier ist das Wachstumspotenzial zwar meist geringer, die Dividendenverlässlichkeit dafür aber höher.
Fazit
Die Debatte um Dividenden ist so alt wie Aktien selbst. Aber gerade die niedrigen Zinsen und schwache konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre hat die Diskussion in ein etwas anderes Licht gerückt. Der Glaube, dass man nur entweder Wachstum oder Dividenden bekommen kann, ist überholt und widerlegt. Vielmehr zeigt sich, dass sich auch die Bedürfnisse der Investoren verändern und Unternehmen ebenfalls umdenken müssen, auch wenn sie als Wachstumsunternehmen einzustufen sind. Das Image von Unternehmen aus den klassischen Versorgerbranchen wie der Telekom, der Energie- oder der Nahrungsmittelindustrie als geeignete Dividendentitel ist definitiv veraltet. Wenngleich in diesen Branchen natürlich noch immer gute Ausschüttungen erfolgen, ist das Thema Dividende auch für alle anderen Branchen und Unternehmen heute von gesteigerter Bedeutung.