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Working Capital

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Working Capital

Bilanzpositionen wie z.B. das Eigenkapital oder die Bankverschuldung bergen eine wichtige Aussagekraft über die Solvenz und Stabilität eines Unternehmens. Von nicht minder hoher Bedeutung sind jedoch diejenigen Bilanzpositionen, welche den tagtäglichen Waren- bzw. Dienstleistungsfluss eines Unternehmens repräsentieren. Diese Positionen schlagen vergleichsweise schnell um (kürzer als 12 Monate), weshalb sie auch dem sog. Umlaufvermögen (kurzfristige Vermögensgegenstände) zugeordnet werden.

Zum Umlaufvermögen gehören insbesondere Forderungen, Vorräte sowie liquide Mittel. Genau wie Vorräte, die in der Regel schnell für Aufträge, Auslieferungen oder in der Produktion verbraucht werden, werden Forderungen üblicherweise ebenfalls in einem überschaubaren Zeitraum eingetrieben. Liquide Mittel sind ohnehin bereits in Form von Geld oder Wertpapieren vorhanden, sodass hier keine Kapitalbindung vorherrscht. Liquide Mittel können wir daher in diesem Fall aus der Betrachtung außen vor lassen.

Vielmehr geht es also um Forderungen und Vorräte, welche Kapital binden. Je mehr Vorräte und Forderungen ein Unternehmen anhäuft, desto mehr Kapital ist gebunden und kann nicht für andere Zwecke genutzt werden. Dies ist teuer, da das Geld entweder nicht für neue wertschöpfende Projekte eingesetzt werden kann, sodass Rendite verloren geht, oder Kredite von anderen Stellen nötig werden, die natürlich entsprechend zu verzinsen sind.

Da die betreffenden Positionen quasi täglich für das Unternehmen „arbeiten“, werden diese Positionen Working Capital (arbeitendes Kapital) genannt. Die Bestimmung des Working Capitals erfolgt entsprechend dem Umlaufvermögen (kurzfristige Vermögensgegenstände) abzüglich vorhandener liquider Mittel, inklusive kurzfristig angelegten Wertpapieren.

Working Capital

Auf der anderen Seite verringert ein Unternehmen die Kapitalbindung, indem es offene Rechnungen, etwa für Materialeinkäufe, ausstehen hat. Solange eine Rechnung nicht bezahlt ist, steht das Geld für andere Zwecke zur Verfügung und muss nicht anderweitig aufgebracht werden. Neben den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zählen beispielsweise auch kurzfristige Steuer- oder Personalverbindlichkeiten zu den kurzfristigen Schulden, welche die Kapitalbindung senken.

Der Saldo aus den kurzfristigen Vermögensgegenständen und kurzfristigen Verbindlichkeiten ergibt den Nettowert des arbeitenden Kapitals:

Über den Zeitverlauf betrachtet kann man anhand des Net Working Capitals eines Unternehmens ablesen, ob die kurzfristige Mittelbindung zu- oder abnimmt. Beide Tendenzen können sehr wichtige Aufschlüsse über die Effizienz der Arbeitsweise geben. Dies lässt sich gut anhand einer Einzelbetrachtung der wichtigsten Komponenten des Working Capitals ablesen.

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen stehen in Abhängigkeit zu den Umsatzerlösen. Je mehr Umsatz erzielt wird, desto höher fallen in der Regel auch die Forderungen gegenüber den Kunden aus, welche die empfangenen Waren oder Dienstleistungen bezahlen müssen. Aus diesem Grund ist es ein effektives Instrument, die Forderungen im Verhältnis zu den Umsatzerlösen zu messen; der entstehende Quotient wird “Forderungsquote” genannt.

Ein effizient geführtes Unternehmen wird eine Forderungsquote aufweisen, welche über den Zeitverlauf relativ stabil ist. Steigt die Forderungsquote bspw. an, könnte dies darauf hinweisen, dass es fragliche Forderungen gibt, also Kunden eventuell nicht zahlen wollen oder gar können. Aber auch einfach ein schlechtes Forderungsmanagement kann der Grund sein. Werden Forderungen nicht bezahlt, muss das Unternehmen diese wertberichtigen und als Verlust in der Erfolgsrechnung buchen, sodass das Ergebnis gedrückt wird. Eine Beobachtung der Forderungen ist daher ein wesentlicher Punkt der Bilanzanalyse.

Messbar gemacht werden kann die Effizienz des Forderungsmanagements auch anhand der Umschlagshäufigkeit. Diese drückt aus, wieviele Tage es durchschnittlich dauert, bis ausstehende Forderungen eingegangen sind.

Verbesserungen des Forderungsumschlages können z.B. erreicht werden, indem den Kunden Skonti angeboten werden, wenn sie innerhalb bestimmter kurzer Fristen bezahlen. Auch ein funktionierendes Mahnwesen kann bereits einen wesentlichen Beitrag leisten.

Vorräte

Die zweite wichtige Position des Working Capitals sind die Vorräte. Auch hier kann eine massive Kapitalbindung vorherrschen, wenn der Bestand nicht effizient gemanagt wird. Wie bei den Forderungen besteht bei den Vorräten eine hohe Abhängigkeit von den Umsatzerlösen. Werden mehr Waren produziert, müssen mehr Rohstoffe, Einsatzmaterialien etc. vorgehalten werden. Daher kann auch hier das Verhältnis zu den Umsatzerlösen wichtige Aufschlüsse geben.

Steigt die Vorratsquote über den Zeitverlauf an, kann dies vor allem zwei Dinge indizieren. Zum Einen könnten die Umsatzerlöse einbrechen, was auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation hindeutet. Zum Anderen könnten zu hohe Vorratsbestände gehalten werden, weil z.B. eine falsche Einschätzung der künftigen Nachfrage getätigt oder eine falsche Einkaufspolitik gefahren wurde. Zu hohe Vorräte bergen das Risiko von Abschreibungen auf das Vorratsvermögen, etwa im Falle eines Preisverfalls, was den Gewinn drückt. Bei Solarunternehmen ist dies schmerzlich zu beobachten gewesen. Durch den raschen Preisverfall bei Solarmodulen und der gleichzeitig schwachen Nachfrage nach Solaranlagen waren die Vorratsbestände der Solarunternehmen überbewertet und es fanden reihenweise Wertberichtigungen statt, die das Ergebnis verschlechtern und sogar in den roten Bereich fallen ließen.

Auch bei den Vorräten ist die Umschlagshäufigkeit ein guter Gradmesser für die Effizienz des Vorratsmanagements eines Unternehmens.

Eine Optimierung der Umschlagshäufigkeit kann ein Unternehmen zum Beispiel durch eine Verbesserung der Produktionsabläufe erreichen. Ein schnellerer Durchlauf erhöht den Lagerumschlag und senkt die Kapitalbindung. Dies kann z.B. durch einen modularen Aufbau von verschiedenen Produkten und Produktreihen erfolgen, die eine hohe Zahl gleicher Teile beinhalten. Auch moderne Produktionsablaufsteuerungen, wie Kanban oder Lieferketten, die auf eine Just-in-Time-Produktion ausgelegt sind, können den Vorratsumschlag verbessern.

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen

Auf der Passivseite sind meist die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen die wichtigste Position des Net Working Capitals. Hierbei handelt es sich um offene Rechnungszahlungen an Zulieferer. Damit haben Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen eine wichtige Finanzierungsfunktion. Wenn Rechnungen später bezahlt werden müssen, können die Gelder zunächst für andere Zwecke benutzt werden. Entsprechend können Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen als kurzfristige Kredite von Zulieferern angesehen werden, die darüber hinaus nicht verzinst sind. Natürlich entscheidet, wie bei den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen auch, die Verhandlungs- oder Machtposition gegenüber dem Zulieferer über die Möglichkeit der Streckung der Begleichung von Rechnungen. Auch bei den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen macht eine Betrachtung in Abhängigkeit zu den Umsatzerlösen Sinn, da erhöhte Umsatzerlöse gleichzeitig eine verstärkte Einkaufsaktivität bedeuten, etwa für Rohstoffe und Materialien.

Wie lange ein Unternehmen sich durchschnittlich mit der Begleichung seiner Rechnungen Zeit lässt, kann man anhand der nachfolgenden Formel darstellen. Veränderungen über den Zeitverlauf können dabei Veränderungen in der Lieferantenstruktur oder der Marktpositionierung indizieren. Im Gegensatz zum Forderungs- und Vorratsumschlag ist bei den Verbindlichkeiten ein möglichst langsamer Umschlag als vorteilhaft einzustufen; je länger Rechnungsbegleichungen herausgeschoben werden, desto geringer ist die Kapitalbindung.

Wie alle Kennzahlen ist aber auch der Verbindlichkeitenumschlag mit Vorsicht zu genießen, denn es können auch unternehmenspolitische Entscheidungen für einen beschleunigten Umschlag sorgen. Um ein gutes Verhältnis zu Lieferanten zu pflegen, begleichen auch starke Marktteilnehmer oftmals ihre Rechnung gegenüber dem vermeintlich schwächeren Partner schnell. Dies schafft Vertrauen, Loyalität und stärkt den Partner, was im sich dynamisch ändernden Wirtschaftsleben von heute kein unwichtiger Faktor ist. Dies gilt insbesondere im Mittelstand. Zudem gewinnt Fairness und Nachhaltigkeit auch bei Investoren immer mehr an Bedeutung.

Working Capital-Quote

Die Betrachtung der Positionen Vorräte sowie Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen haben für sich genommen einen hohen Stellenwert, da sich Tendenzen der Veränderung der Marktposition, Effizienz, aber auch der wirtschaftlichen Situation gut ablesen lassen. Jedoch beinhaltet das Working Capital noch weitere Positionen, wie etwa erhaltene Anzahlungen, Rechnungsabgrenzungen, Steuerforderungen, Steuerverbindlichkeiten, Personalkostenrückstellungen, etc. Um auch diese Positionen in eine Betrachtung miteinzubeziehen, bietet es sich zusätzlich an, das Verhältnis des Working Capitals als Ganzes zum Umsatz zu betrachten.

Cash Conversion Cycle

Die Umschlagshäufigkeiten der drei Positionen Vorräte sowie Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen kann man indes auch in einer Formel zusammenfassen, dem sog. Cash Conversion Cycle (Geldumschlagsdauer):

Der Cash Conversion Cycle bringt zum Ausdruck, wie lange die liquiden Mittel durchschnittlich im Working Capital des Unternehmens gebunden sind. Je kürzer die Bindungsdauer, desto effizienter ist das Liquiditätsmanagement einzuschätzen. Vergleiche mit Unternehmen aus anderen Branchen sind hierbei nicht zu empfehlen, da die Kapitalbindungsdauer von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ausfallen kann. Vergleiche innerhalb einer Branche oder über einen Zeitverlauf hinweg versprechen hingegen eine gute Aussagekraft.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Working Capital ein hohes Maß an Kapitalbindung in einem Unternehmen verantwortet. Ein effizientes Management, insbesondere der Positionen Vorräte sowie Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, ist daher ein enorm wichtiger Faktor. Der Einsatz von Gradmessern für die Effizienz, wie Umschlagshäufigkeiten und Umsatzquoten, ist dabei ein gutes Hilfsmittel zur Beurteilung von Unternehmen.

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